Die Maslowsche Bedürfnispyramide: Was treibt uns an?

by Hofelich
Bedürfnispyramide nach Maslow und Motivationstheorie

Die Maslowsche Bedürfnishierarchie zeigt auf, was den Menschen im Kern antreibt, was ihn motiviert. Zunächst müssen die wichtigsten, grundlegenden Bedürfnisse gestillt werden, die das Überleben sichern: Atmen, Trinken, Essen, Schlafen, erst dann folgen Sicherheit und soziale Bedürfnisse wie Gemeinschaft, Freundschaft und Liebe. An der Spitze der Pyramide nach Maslow steht schließlich die Selbstverwirklichung: Sie hat zum Ziel, das eigene Wesen völlig zur Entfaltung zu bringen und die individuell gegebenen Möglichkeiten und Talente möglichst umfassend auszuschöpfen.

Basis der Pyramide: die Existenz- oder Grundbedürfnisse

Maslow stellte fest, dass manche Bedürfnisse wichtiger sind als andere und gliederte diese hierarchisch in fünf Kategorien, die von den grundlegendsten körperlichen bis hin zu den hochentwickeltsten menschlichen Bedürfnissen reichen. Erst wenn der Mensch eine Bedürfnisstufe gestillt hat, zieht es ihn zur Nächsten. Ein wichtiger Faktor für die Motivation des Menschen ist: Nur so lange ein Bedürfnis unbefriedigt ist, aktiviert und motiviert es das Handeln des Menschen. Mit zunehmender Befriedigung des Bedürfnisses nimmt dessen motivierende Kraft ab.

Auf der untersten Stufe stehen die physiologischen Triebe, die mächtigsten unter allen und für das Überleben unerlässlichen Bedürfnisse des Menschen: Atmung (saubere Luft), Trinken (sauberes Trinkwasser), Essen (gesunde Nahrung), Wärme (Kleidung) und Schlaf (Ruhe und Entspannung). Gleich darauf folgt das Bedürfnis nach Sicherheit: Unterkunft/Wohnung, Gesundheit, Schutz vor Gefahren, Ordnung (Gesetze, Rituale). Und schließlich kommen soziale Bedürfnisse hinzu: Freundeskreis, Partnerschaft, Liebe, Nächstenliebe, Sexualität, Fürsorge, Kommunikation. Diese untersten drei Stufen der Pyramide sind die Existenz- oder Grundbedürfnisse.

grundbeduerfnisse

Ich-Bedürfnisse: Das Streben nach Selbstachtung und Anerkennung

Hat der Mensch seinen Grundbedarf befriedigt, so beginnt er nach Anerkennung zu streben. Diese Individual- oder Ich-Bedürfnisse unterteilt Maslow in zwei Bereiche. In dem inneren Bereich geht es dem Menschen um sein Selbstbild, um Selbstachtung und Selbstvertrauen, den eigenen Wunsch nach mentaler, körperlicher Stärke, Erfolg, Unabhängigkeit und Freiheit. Im äußeren Bereich dreht sich alles um die Anerkennung durch andere Menschen, um Ansehen, Prestige, Wertschätzung, Achtung und Wichtigkeit.

Die Selbstverwirklichung als höchstes Ziel des Menschen

Wenn die ersten vier Stufen der Bedürfnispyramide erfüllt sind, wird der Mensch eine neue innere Unruhe und Unzufriedenheit fühlen. Er spürt den starken Drang nach Selbstverwirklichung. Der Mensch wünscht sich, sein eigenes Potential voll auszuschöpfen. Er strebt an das zu werden, was ihm aufgrund seiner Anlagen potentiell möglich ist. Er möchte seine eigenen Ziele, Sehnsüchte und Wünsche verwirklichen mit dem übergeordneten Ziel, das eigene Wesen völlig zur Entfaltung zu bringen.

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Was Selbstverwirklichung exakt für den einzelnen Menschen bedeutet, ist höchst unterschiedlich. Für den einen heißt es, eine gute Mutter sein, für den anderen, ein exzellenter Wissenschaftler, Schriftsteller, ein erfolgreicher Sportler zu werden. Kurz vor seinem Tod hat Maslow 1970 sein Modell noch um eine wichtige Stufe erweitert. An die Spitze der Pyramide setzte er über die Selbstverwirklichung die „Transzendenz“, also die Suche nach Gott, nach einer das individuelle Selbst überschreitenden Dimension oder nach etwas, das außerhalb des beobachtbaren Systems liegt.

 Bedürfnispyramide nach Maslow

 

 6. Transzendenz

 5. Selbstverwirklichung

  4. Bedürfnisse nach Wertschätzung

 3. Bedürfnisse nach Zugehörigkeit

 2. Bedürfnisse nach Sicherheit

 1. Physiologische Bedürfnisse

 

Erfüllung der Mangelbedürfnisse: Basis für Zufriedenheit

Maslow hat seine Stufen weiter gegliedert in Mangel- und in Wachstumsbedürfnisse. Die ersten vier Kategorien – also die Grundbedürfnisse, Sicherheit, Sozialbedürfnis sowie Wertschätzung und Anerkennung – fasst er als Defizit- oder Mangelbedürfnisse zusammen. Wenn wir alles haben, dann spüren wir auch nichts. Nur wenn wir einen Mangel haben, spüren wir das Bedürfnis und es motiviert uns zum Handeln.

Wenn Defizitbedürfnisse nicht befriedigt werden, führt dies zu physischen oder psychischen Störungen. Wer nichts zu Essen oder zu Trinken hat, stirbt, wer keine Sicherheit hat, leidet unter Angst und wer keine sozialen Kontakte hat, bekommt emotionale Störungen, wer eine niedrige Selbstachtung hat, leidet unter Minderwertigkeitskomplexen.

Diese Defizitbedürfnisse müssen erfüllt sein, damit Zufriedenheit entstehen kann. Erst wenn diese Defizitbedürfnisse sicher befriedigt sind und sich Zufriedenheit in Form von höherer Lebenserwartung, weniger Krankheit und einer besseren Ernährungssituation einstellt, treten die Wachstumsbedürfnisse in den Vordergrund.

soziale-anerkennung

Wachstumsbedürfnisse: Voraussetzung für Glück

Selbstverwirklichung und Transzendenz sind für Maslow Wachstums- oder unstillbare Bedürfnisse. Diese unterscheiden den Menschen vom Tier und sind nicht zwingend für sein Überleben wichtig. Die zusätzliche Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse bedeutet ein über Zufriedenheit hinausführendes Glück, Gelassenheit, Reichtum des inneren Lebens und verstärkte Individualität.

Allerdings können diese Wachstumsbedürfnisse nie wirklich befriedigt werden. Nach Maslow beschäftigt sich nur ein geringer Prozentsatz der Weltbevölkerung intensiv mit der Selbstverwirklichung, er schätzt den Anteil auf etwa 2 %. Der Großteil ist mit der Sicherung der Grundbedürfnisse beschäftigt. In den modernen Gesellschaften haben die meisten Menschen zwar ihre Grund- und Sicherheitsbedürfnisse gedeckt. Dennoch tauchen auch hier psychologische Probleme auf, meist in Verbindung mit den Bereichen Liebe, Anerkennung und Selbstachtung.

Wer sich selbst verwirklicht, benötigt folgendes, um glücklich zu sein:

  • Aufrichtigkeit statt Unaufrichtigkeit
  • Güte statt Boshaftigkeit
  • Schönheit statt Hässlichkeit oder Gemeinheit
  • Einheit, Ganzheit und Transzendenz der Gegensätze und nicht Willkür oder erzwungene Entscheidungen
  • Lebendigkeit, nicht Regungslosigkeit oder ein mechanisiertes Leben
  • Einzigartigkeit, nicht die beruhigende Uniformität
  • Perfektion und Notwendigkeit, nicht Nachlässigkeit, Unbeständigkeit oder Zufall
  • Vollendung statt der Zustand des Unvollendeten
  • Gerechtigkeit und Ordnung, nicht Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit
  • Einfachheit, keine unnötige Komplexität
  • Reichhaltigkeit, keine Verarmung der Umgebung
  • Mühelosigkeit, nicht Anstrengung
  • Das Spielerische, keine grimmige humorlose Plackerei
  • Genügsamkeit, nicht Abhängigkeit
  • Bedeutsamkeit statt Sinnlosigkeit

Quelle: C. George Boeree

Hinweise zur Bedürfnispyramide von Maslow

Allerdings hat Maslow seine Bedürfnishierarchie nicht selbst grafisch in Form einer Pyramide dargestellt. Sie wird Werner Correll zugeschrieben. Auch darf die Pyramide nicht dazu führen, Maslows dynamisches Modell zu statisch zu sehen.

Denn eine Bedürfniskategorie muss nicht erst 100%-ig befriedigt werden, bevor die nächste Kategorie motivierend wirken kann. Meist genügt bereits ein Befriedigungsgrad von 70 % oder weniger, um die nächsthöhere Stufe in den Vordergrund treten zu lassen. Außerdem unterscheidet sich der empfundene Sättigungsgrad stark von Mensch zu Mensch, je nach den individuellen Erwartungen.

selbstverwirklichung

Abraham Maslow: wichtiger Gründervater der humanistischen Psychologie

Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow zählt zu den wichtigsten Gründervätern der humanistischen Psychologie. Er strebte eine Psychologie seelischer Gesundheit an und untersuchte die menschliche Selbstverwirklichung. Maslow wandte sich gegen das pessimistische Menschenbild der Anfang des 20. Jahrhunderts vorherrschenden psychologischen Schulen der Psychoanalyse Sigmund Freuds und des Behaviorismus, die das Verhalten des Menschen animalistisch auf Triebe und Reflexe reduzierten. Maslow dagegen war der Meinung, dass der Mensch in seiner Ganzheit nicht durch niedere Triebe gesteuert ist, sondern durch ein angeborenes Wachstumspotential angetrieben wird, um sein höchstes Ziel – die Selbstverwirklichung – zu erreichen.

Humanistische Psychologie

Die Schule der Humanistischen Psychologie verfolgt den Anspruch, dass sich gesunde, sich selbst verwirklichende und schöpferische Persönlichkeiten entfalten können. Psychische Störungen entstehen nach dieser Schule dann, wenn Umwelteinflüsse die Selbstentfaltung blockieren.

Wichtige Grundannahmen der Humanistischen Psychologie sind:

  • Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile.
  • Der Mensch lebt in zwischenmenschlichen Beziehungen.
  • Der Mensch lebt bewusst und kann seine Wahrnehmungen schärfe.n
  • Der Mensch kann entscheiden.
  • Der Mensch ist intentional.

Die erste ausgearbeitete Humanistische Psychologie geht auf Abraham Maslow (Positive Psychologie) zurück, dessen Konzept später insbesondere von Carl Rogers in seiner Gesprächspsychotherapie für den praktischen Bereich weiterentwickelt wurde.

Die Kernthese von Carl Rogers lautet:

„Das Individuum verfügt potentiell über unerhörte Möglichkeiten, um sich selbst zu begreifen und seine Selbstkonzepte, seine Grundeinstellung und sein selbstgesteuertes Verhalten zu verändern; dieses Potential kann erschlossen werden, wenn es gelingt, ein klar definiertes Klima förderlicher psychologischer Einstellungen herzustellen.“

Dem Ansatz der Humanistischen Psychologie sehr nahe stehen auch der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse Viktor Frankl, sowie der Neopsychoanalytiker Erich Fromm.

Über das Leben von Abraham Maslow

Der US-amerikanischer Psychologe Abraham Harold Maslow wurde am 1. April 1908 in Brooklyn, New York City geboren. Er war das älteste von sieben Kindern. Seine Eltern waren jüdisch-ukrainische Immigranten. Seine Kindheit beschreibt Maslow als unglücklich und isoliert. Er hatte keine Freunde und verbrachte viel Zeit in Bibliotheken. Maslow studierte an der University of Wisconsin–Madison, wo er 1930 den Grad des B.A. und 1931 den des M.A. erhielt und promovierte 1934 in Psychologie.

1937 erhielt er eine Professur am Brooklyn College der City University of New York, 1951 wechselte er zur Brandeis University nahe Boston. 1967 wurde er als „Humanist des Jahres“ geehrt. Abraham Maslow starb am 8. Juni 1970 in Menlo Park, Kalifornien an einem Herzinfarkt. Am stärksten mit seinem Namen verbunden ist und bleibt die von ihm entwickelte Bedürfnishierarchie oder Bedürfnispyramide.

Bilder: Unsplash

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