Das sind die größten Ängste der Menschen in Deutschland

by Hofelich
Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung

Ängste sind die größten Feinde des Glücks. Zweifelsohne wirken sich Befürchtungen, dass etwas Schlimmes passieren wird, negativ auf unseren Gemütszustand aus. Das Spektrum kann von düsteren Erwartungen mit realem Hintergrund bis hin zu irrationalen Ängsten reichen. Im Jahr 2023 fürchten die Menschen in Deutschland vor allem einen weiteren Wohlstandsverlust. Hohe Preise durch Inflation, steigende Mieten und explodierende Energie- und Stromkosten sind bereits Realität und die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten nimmt immer weiter zu. Das zeigt die repräsentative Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung. Insgesamt ist der Angstindex – der durchschnittliche Wert aller gemessenen Ängste – von 42 Prozent im vergangenen Jahr auf 45 Prozent 2023 gestiegen.

Die drei Top-Ängste kreisen 2023 um finanzielle Sorgen

„Die Menschen spüren beim Einkauf an der Supermarktkasse, dass sie für ihren Euro immer weniger bekommen“, sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. „Die Sorge um den eigenen Wohlstand ist allgegenwärtig – auch in den Ergebnissen unserer Langzeitstudie. Die drei Top-Ängste der Deutschen kreisen in diesem Jahr um finanzielle Sorgen.“.

 Zwei Drittel der Deutschen fürchten, dass die Lebenshaltungskosten weiter steigen. Die Angst vor explodierenden Preisen landet mit 65 Prozent zum zweiten Mal in Folge auf dem ersten Platz der Studie. Im Vorjahr – Deutschland verzeichnete die höchste Inflation seit rund 50 Jahren – war sie um 17 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt (2022: 67 Prozent).

 

Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung

 

Gefährdeter Lebensstandard und bedrohte Existenzgrundlage

„Die Menschen fühlen sich in ihrer Existenzgrundlage bedroht und sehen ihren Lebensstandard gefährdet. Das schürt Abstiegsängste“, erläutert Professorin Dr. Isabelle Borucki. Die Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg begleitet die R+V-Studie seit diesem Jahr als Beraterin. Seit 1992 führt dieses Thema häufiger als jedes andere das Ranking an: Insgesamt belegte die Furcht vor steigenden Preisen 13-mal Platz eins und siebenmal Platz zwei.

Wohnraum verteuert sich drastisch

Finanzielle Sorgen prägen auch die zweite Top-Angst der Bürgerinnen und Bürger. Sechs von zehn Deutschen fürchten, dass Wohnen unbezahlbar wird (60 Prozent). „Für die einen zerschlägt sich angesichts steigender Zinsen und Baukosten der Traum vom Eigenheim, für die anderen wird die monatliche Miete zur immer größeren Belastung“, sagt Studienleiter Brower-Rabinowitsch. Für die Politikwissenschaftlerin Borucki ist bezahlbarer Wohnraum eine der großen sozialen Herausforderungen in Deutschland: „Die eigenen vier Wände bilden die Grundlage für eine sichere Existenz. Hier ist der Staat in der Pflicht – das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht.“

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Schuldenbremse, Haushaltsstreit – die fetten Jahre sind vorbei. Das spüren auch die Bürgerinnen und Bürger. Insgesamt 57 Prozent der Befragten fürchten, dass der Staat dauerhaft Steuern erhöht oder Leistungen kürzt – Platz drei der Studie. „Die aktuellen Sparpläne sind ständig in den Medien präsent. Diese Sorge hat also einen ganz realen Hintergrund“, sagt Borucki.

 

Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung

 

Spaltung der Gesellschaft macht vielen Angst

Jeder zweite Deutsche hat Angst, dass die Spaltung der Gesellschaft zunimmt und zu Konflikten führt. Diese Frage wurde neu in die Studie aufgenommen und ist direkt in den Top Ten gelandet (Platz acht). „Eine gewisse Spaltung in verschiedene Lager gibt es in Deutschland schon lange, etwa in links–rechts, arm–reich oder Stadt–Land“, sagt Borucki. „Dazu kommt eine neue Konfliktlinie: Für die eine Gruppe sind konservative Werte und die Verwurzelung in Deutschland wichtig. Die anderen sind eher weltoffen und treten für freiheitliche Werte ein. Diese Spaltung wird zunehmend sichtbar.“

Angst vor dem Klimawandel

Heftige Unwetter in Deutschland, Hitzewellen und Überschwemmungen in Europa: Die Umweltsorgen bleiben auf hohem Niveau. Große Angst vor den Folgen des Klimawandels hat fast die Hälfte der Deutschen (47 Prozent, Platz zehn). Auf Platz elf folgt die Sorge, dass Naturkatastrophen immer häufiger auftreten (47 Prozent).

 

Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung

 

Zuwanderungsthemen gewinnen an Bedeutung

Am deutlichsten gestiegen ist die Sorge, dass die Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert. Sie legt im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozentpunkte zu (56 Prozent, Platz vier). „Aus einer überwiegend ostdeutschen Sorge ist damit ein Thema geworden, das die Menschen überall in Deutschland gleichermaßen bewegt. Die Befragten haben Angst, dass die Integration nicht gelingt“, erklärt Borucki. „Diese Entwicklung muss die Politik ernst nehmen und Lösungen aufzeigen, damit Migration als Chance und nicht als Bedrohung erlebt wird.“

Sinkendes Vertrauen in die Politik

Das Vertrauen in die Politik sinkt, auch das zeigt die Langzeitstudie deutlich. Gut jeder zweite Befragte (51 Prozent) fürchtet, dass die Politikerinnen und Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind. Diese Sorge nimmt im Vergleich zum Vorjahr spürbar zu und rückt auf Platz sechs im Ängste-Ranking vor (2022: 44 Prozent, Platz zehn).

„Deutschland ist im Krisenmodus. Hier erwarten die Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähige Lösungen vom Staat, die klar kommuniziert werden. Stattdessen erleben sie ungefilterten Dauerstreit in der Ampel und eine schwache bürgerliche Opposition“, analysiert Isabelle Borucki. Entsprechend schlecht auch das Zeugnis der Deutschen für ihre Politikerinnen und Politiker. Im Schnitt vergeben sie die Schulnote 3,9 (2022: 3,7). „Das generell sinkende Vertrauen in die Politik sollte bedenklich stimmen, da es auf eine langsame Gefährdung der Demokratie hindeuten kann“, warnt die Professorin.

 

Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung

 

Über die Studie

„Die Ängste der Deutschen“ ist die bundesweit einzige Umfrage, die sich seit 31 Jahren mit den Sorgen der Bevölkerung befasst. Seit 1992 befragt das R+V-Infocenter jährlich in persönlichen Interviews rund 2.400 Männer und Frauen der deutschsprachigen Wohnbevölkerung im Alter ab 14 Jahren nach ihren größten politischen, wirtschaftlichen, persönlichen und ökologischen Ängsten. Die repräsentative Umfrage findet immer im Sommer statt – dieses Mal lief sie vom 12. Juni bis zum 20. August 2023.

Bild: Unsplash / Grafiken: R+V Versicherung, Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“

 

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