Philosophie im Film-Klassiker „Matrix“: Was ist Wirklichkeit?

by Hofelich
Philosophie, Film, Matrix, Wirklichkeit

Der Science-Fiction-Film „Matrix“ ist eine exzellente Mischung aus fesselnder, intelligenter Handlung, spektakulären Action-Szenen und Philosophie. Das zentrale Motiv in „The Matrix“ ist die philosophische Frage: Was ist Wahrheit? Können wir unserer Wahrnehmung trauen? Unterliegt die menschliche Erkenntnis Täuschungen? Ist unsere Umwelt nur eine Illusion? Vor kurzem ist der vierte Teil der Reihe „Matrix Resurrections“ erschienen. Höhepunkt der Reihe bleibt der erste Blockbuster der Geschwister Wachowski aus dem Jahr 1999, der mit philosophischen und theologischen Andeutungen gespickt ist. Aus der Erkenntnistheorie Descartes, Gedanken über künstliche Intelligenz, Platons Höhlengleichnis, dem Zen-Buddhismus und der Bibel. Im Zentrum steht die Suche nach Wahrheit, Freiheit und vor allem die Frage: was ist die Wirklichkeit? Was die Matrix wirklich ist und welche Philosophie dahintersteht, lesen Sie hier.

Was ist die Matrix? Eine interaktive, neuronale Simulation der Welt

Die Handlung des ersten Matrix-Films: Der Programmierer Thomas Anderson (gespielt von Keanu Reeves), in der Cyberszene bekannt als Hacker Neo, lernt die geheimnisvolle Trinity (Carrie-Anne Moss) kennen, die ihn in eine Untergrundbewegung einschleust. Von deren Anführer Morpheus (Laurence Fishburne) erfährt er, dass die Realität nicht das Jahr 1999, sondern eine postapokalyptische Welt des 23. Jahrhunderts ist. Morpheus erklärt Neo, dass die Welt, in der er zu leben glaubt, lediglich eine Simulation ist. Er und der Großteil der Menschheit sind gefangene Sklaven in einer computergenerierten Traumwelt, der „Matrix“.

 

Aus dem Drehbuch:

Morpheus zu Neo: „Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt, etwas, dass du nicht erklären kannst, aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der Dich verrückt macht. Dieses Gefühl hat Dich zu mir geführt. Weißt du wovon ich spreche?“

Neo: „Von der Matrix?“

Morpheus: „Möchtest du wissen, was genau sie ist? Die Matrix ist allgegenwärtig, sie umgibt uns, selbst hier ist sie, in diesem Zimmer. Du siehst sie, wenn du aus dem Fenster guckst, oder den Fernseher anmachst. Du kannst sie spüren, wenn du zur Arbeit gehst. Oder in die Kirche, und wenn du deine Steuern zahlst. Es ist eine Scheinwelt, die man dir vorgaukelt, um Dich von der Wahrheit abzulenken.“

Neo: „Welche Wahrheit?“

Morpheus: „Das du ein Sklave bist, Neo. Du wurdest wie alle in die Sklaverei geboren, und lebst in einem Gefängnis, das du weder anfassen noch riechen kannst. Ein Gefängnis für deinen Verstand. Dummerweise ist es schwer jemandem zu erklären, was die Matrix ist. Jeder muss sie selbst erleben. Dies ist deine letzte Chance – danach gibt es kein Zurück. Schluckst du die blaue Kapsel, ist alles aus. Du wachst in deinem Bett auf und glaubst an das was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland, und ich führe Dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus. [Neo greift nach der roten Kapsel] Bedenke: Alles was ich dir anbiete ist die Wahrheit, nicht mehr.“ [Neo schluckt die rote Kapsel]

Hoffnungsträger: Neo, der Auserwählte

Hinter der Matrix steckt eine einst von den Menschen erschaffene künstliche Intelligenz, die sich plötzlich gegen die Menschheit gerichtet hat. Im Kampf hatten die Menschen den Himmel verdunkelt, um den Maschinen ihre wichtigste Energiequelle, die Solarenergie, zu nehmen. Nach dem Sieg der Maschinen, züchteten diese Menschen in Brutkästen, um sie als alternative Energiequelle zu nutzen. Den versklavten Menschen täuschten sie weiterhin vor, sie würden normal vor sich hin leben – mithilfe einer interaktiven neuronalen Simulation – der Matrix.

Allerdings konnten sich einige Menschen aus der virtuellen Welt befreien und leben im Untergrund, in der letzten freien Stadt Zion. Diese Widerstandsgruppe um den Anführer Morpheus hat sich das Ziel gesetzt, den Auserwählten zu finden, der die Matrix zerstören und die Menschheit erlösen soll: Neo. Morpheus weiht Neo in die Wahrheit über die Matrix ein und befreit seinen Körper aus dem Brutkasten in einer riesigen Zuchtanlage für Menschen. Im Kampf gegen die Maschinen und die Agenten – Schutzprogramme, die gegen menschliche Revolutionäre vorgehen – hacken sich die Widerstandskämpfer immer wieder in die Matrix ein.

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Philosoph René Descartes: „Cogito ergo sum“

Das zentrale Motiv in „The Matrix“ ist die Frage: Was ist Wahrheit? Können wir unserer Wahrnehmung trauen? Unterliegt die menschliche Erkenntnis Täuschungen? Ist unsere Umwelt einschließlich unseres Körpers nur eine Illusion? Was kann ich wissen? Diesen Fragen ist der französische Philosoph René Descartes, wichtiger Wegbereiter der Aufklärung, Mitte des 17. Jahrhunderts in seiner Erkenntnistheorie nachgegangen. Nach Descartes lässt sich alles, was wir wahrnehmen und als Wahrheit annehmen, auch infrage stellen. Schließlich könnte es sich dabei auch um Sinnestäuschungen handeln. Alles was passiert, geschieht letztendlich im Gehirn. Doch nach Descartes bleibt eine Wahrheit bestehen: Wir mögen zwar Sinnestäuschungen ausgesetzt sein, sind aber auch in der Lage, über diese nachzudenken. Dass wir denken, setzt die Existenz unseres Ichs voraus. Sobald wir denken, können wir uns zumindest einer Sache sicher sein: unserer eigenen Existenz. Die Quintessenz steckt in Descartes berühmten Satz: Cogito ergo sum – ich denke, also bin ich.

 

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Philosoph Hilary Putnam: Die Gehirn im Tank“-Theorie

Für die Menschen in der Matrix und die befreiten Menschen in der „echten“ Welt ist also jeweils ihre subjektive Wahrnehmung von der Welt die Realität. Hier greift der Film „The Matrix“ auch die Idee vom „Gehirn im Tank“ („brain in a vat“) auf, die in der jüngeren Philosophie viel diskutiert wurde, unter anderem von dem amerikanischen Philosoph Hilary Whitehall Putnam. Bei diesem Gedankenexperiment geht es darum, unsere Vorstellungen von Realität, Wahrheit und Bewusstsein zu hinterfragen. Die Idee: Jede unserer Wahrnehmungen könnte eine Illusion sein, die uns über Elektroden direkt in unser Gehirn eingespielt wird, während wir gar keinen Körper besitzen. Es stellt sich die Frage, ob das Gehirn feststellen kann, ob es in einem realen Körper, oder in einer simulierten, virtuellen Realität steckt. Da das Gehirn sowohl im Tank als auch im Kopf exakt die gleichen Impulse sendet und empfängt und diese Signale seine einzige Verbindung zur Außenwelt sind, ist es aus der Perspektive des Gehirns unmöglich zu erkennen, ob es sich in einem Kopf oder in einem Tank befindet. In der Matrix halten die Menschen ihre Welt für die Wirklichkeit, in Wahrheit ist sie jedoch bloß eine Illusion. Die Menschen sind sich ihrer Unfreiheit nicht bewusst.

Aus dem Drehbuch:

Morpheus zu Neo: „Was ist die Wirklichkeit? Wie definiert man das, Realität? Wenn Du darunter verstehst was Du fühlst, was Du riechen, schmecken oder sehen kannst, ist die Wirklichkeit nichts weiter als elektrische Signale interpretiert von Deinem Gehirn.

[Er schaltet den Fernseher ein] Das hier ist die Welt, die Du kennst: Die Welt am Ende des 20. Jahrhunderts. Sie existiert inzwischen nur noch als Teil einer neuro-interaktiven Simulation, die wir als Matrix bezeichnen. Du hast bisher in einer Traumwelt gelebt, Neo! Das ist die Welt, wie sie heute existiert.

[er schaltet um – plötzlich befinden sich beide in einer Felsenlandschaft] Willkommen in der Wüste der Wirklichkeit!“

Das platonische Höhlengleichnis

Die Geschichte der Matrix wird auch als Variante Platons philosophischer Erzählung vom Höhlengleichnis gesehen, mit dem er seine Ideenlehre veranschaulichen wollte. Demnach leben die Menschen in einer Höhle an Ketten gefesselt und blicken auf eine Felswand, während hinter ihnen ein Feuer flackert. Auf der Felswand sehen sie nur die Schatten von Gegenständen, die hinter ihnen vorübergetragen werden und welche vom Schein des Feuers als Schattenbilder an die Wand vor ihnen projiziert werden. Die Menschen halten diese Schattenbilder für die Wirklichkeit und befinden sich damit auf der ersten Stufe der Erkenntnis: der bloß sinnlichen Wahrnehmung.

Was geschähe, wenn einer der Gefangenen losgebunden und genötigt würde, aufzustehen, sich umzudrehen, zum Ausgang zu schauen und sich den Gegenständen selbst, deren Schatten er bisher beobachtet hat, zuzuwenden? Dieser Mensch wäre zunächst schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt. Er hielte die nun in sein Blickfeld gekommenen Dinge für weniger real als die vertrauten Schatten. Nach einiger Zeit hält er diese zwar für wahr, möchte aber, da das Feuer ihn blendet, wieder zurück ins bequeme Dunkel. Zum weiteren Aufstieg in die obere Welt muss man ihn also zwingen, bis er die Wirklichkeit erkennt und schätzt. Sollte er in die Höhle zurückkehren, um seine ehemaligen Mitgefangenen zu befreien, so würden diese ihn auslachen und sich wehren, weil sie die Bequemlichkeit der Höhle der Erkenntnis vorziehen.

Ist das Leben in der Matrix nicht besser als die Realität?

Wie beim Aufstieg aus Platons Höhle ist auch Neos Konfrontation mit der Realität zunächst schmerzhaft. Doch er entscheidet sich bewusst für die reale Welt und gegen ein Leben in der Matrix. Er will kein Sklave sein und nicht von Maschinen kontrolliert und ausgebeutet werden. Er will sein Leben in Freiheit und nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Doch Neo erkennt, dass die meisten Menschen – ähnlich wie Platons Höhlenbewohner – nicht bereit sind für die Wahrheit und sich nicht von der Matrix trennen wollen. Für sie ist es wohltuender, in der Illusion zu leben. So ist etwa der Widerstandskämpfer Cypher müde von der harten Realität und bereit, seine Freunde an den Agenten Smith zu verraten, um wieder in die Matrix integriert zu werden.

Aus dem Drehbuch:

[In der Matrix: Restaurant]

Agent Smith: „Dann sind wir uns einig, Mr. Reagan?“

Cypher: „Hören Sie, ich weiß, dass dieses Steak nicht existiert. Ich weiß, dass wenn ich es in meinen Mund stecke, die Matrix meinem Gehirn sagt, dass es saftig ist und ganz köstlich. Nach neun Jahren ist mir eine Sache klar geworden: Unwissenheit ist ein Segen.“

Agent Smith: „Demnach sind wir uns einig.“

Cypher: „Ich will nichts mehr wissen! Ich will alles vergessen. Hauptsache ist, ich hab genug Geld, und… berühmt sein wär auch nicht schlecht. Ein Schauspieler oder so.“

Agent Smith: „Ganz wie sie wünschen, Mr. Reagan.“

Cypher: „Okay, ihr bringt meinen Körper zurück in euer Kraftwerk, gliedert mich wieder in die Matrix ein, und ich beschaff euch was ihr wollt.“

 

 

Fazit: Packender Kultfilm mit Tiefgang

Der Film „The Matrix“ aus dem Hause Warner Bros. ist auch heute noch ein packender und außergewöhnlicher Kultstreifen des Science-Fiction-Genre. Das Wachowski-Duo hat es 1999 exzellent geschafft, Action, Spannung, gute Handlung und philosophische Ansätze in einen grandiosen Blockbuster zu packen. Ob es ihnen dabei ausschließlich um kommerziellen Erfolg ging oder sie die Zuschauer auch gesellschaftskritisch wachrütteln wollten, bleibt dahingestellt. Allerdings ist nur erste Teil der Matrix-Trilogie absolut sehenswert. Im Mai 2003 folgte die Fortsetzung mit „Matrix Reloaded“ und im November 2003 der dritte Teil „Matrix Revolutions“. Dabei handelt es sich um reine Action- und Special-Effects-Orgien mit verwirrender Handlung. Auch der Ende 2021 erschienene vierte Teil „Matrix Resurrections“ konnte nicht an den grandiosen Erfolg von „The Matrix“ aus dem Jahr 1999 anknüpfen.

Bilder: Pixabay, Amazon

 

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