Interview mit Richard Wolff: „Reboot – Wie sich Führungskräfte über 50 neu erfinden können“

by Hofelich
Interview mit Richard Wolff: „Reboot – Wie sich Führungskräfte über 50 neu erfinden können“

Reboot – Wie sich Führungskräfte über 50 neu erfinden können“, heißt das Buch von Richard Wolff, das Anfang November im Droemer Knaur Verlag erschienen ist. Der renommierte Unternehmensberater und Coach zeigt auf, warum viele Aufsteiger mit Anfang 50 plötzlich in einer beruflichen Sackgasse feststecken. Er macht Mut, die Veränderung zu suchen, und bietet wertvolle Denkanstöße, wie man sich neu positioniert und weiterhin erfolgreich und wertgeschätzt arbeiten kann. Im Interview spricht Richard Wolff über die richtigen Wege aus dem „Stuck State“, Optionen für einen Neustart und die Stärken der Manager über 50.

Herr Wolff, was gab die Initialzündung für Sie, dieses Buch zu schreiben?

Wolff: Ich war lange Zeit selbst als Manager in Unternehmen tätig und arbeite seit dreißig Jahren als Coach intensiv mit Führungskräften zusammen – davon die letzten 10 Jahre als selbständiger Berater. Als Coach habe ich immer wieder mit Führungskräften über 50 zu tun, die resigniert und frustriert feststellen, dass sie in ihrer derzeitigen Position im Unternehmen hängengeblieben sind.

Nachdem sie es bisher gewohnt waren, immer weiter in der Firmenhierarchie aufzusteigen, gibt es für sie auf einmal keine attraktive Perspektive mehr. Zwar verdienen sie gut, fühlen sich mit ihren Aufgaben im Job nicht überfordert, sind auch im Privatleben mit Familie, Haus und materieller Absicherung gut aufgestellt. Aber plötzlich erkennen die bisher erfolgsverwöhnten Aufsteiger: Es geht nicht mehr weiter.

Es gibt sehr viele Führungskräfte, die sich mit diesem Problem herumschlagen. Deswegen habe ich mich entschieden, dieses Buch zu schreiben und die Erfahrungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Der Titel ist Programm: „Reboot – Wie sich Führungskräfte über 50 neu erfinden können“.

 

Karriere Aufstieg

 

Was steckt hinter dem Schlagwort „Reboot“?

Wolff: Der Begriff „Reboot“ kommt aus der IT und gibt hier ein passendes Bild ab. Wenn der Computer hängenbleibt und nichts mehr geht, dann bleibt mir nur noch eine Möglichkeit: ein erzwungener Neustart durch das Drücken der Reboot-Taste. Ich habe den Begriff auf die Situation der über 50-Jährigen Manager übertragen, die sich in einer beruflichen Sackgasse befinden. Um dort herauszukommen, ist auch hier ein erzwungener Neustart notwendig. Neustart bedeutet, nach vorne zu denken. Doch die Analogie impliziert auch, dass man den Reboot erst ansetzt, wenn nichts anderes mehr geht. Ohne Krise keine Veränderung.

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Das Thema Reboot hat für mich zwei Stufen. Erstens: Wahrnehmen, was ist! Zuerst muss man sich also seiner Situation stellen und diese klar und beherzt analysieren. Und zweitens: Neue Wege suchen! Hier geht es um die verschiedenen Richtungen, die man einschlagen kann. Diese möglichen Optionen zeige in meinem Buch auf.

Ihr Werk ist kein trockenes Sachbuch, sondern enthält viele Fallgeschichten von erfolgreichen Um- und Aussteigern, Personalchefs und Headhuntern. Welcher Ansatz steckt dahinter?

Wolff: Dahinter steckt die Idee, unterhaltsam und lebendig die Geschichte von Leuten zu erzählen, die es auf unterschiedliche Weise hingekriegt haben, sich aus der beruflichen Sackgasse zu befreien. Es gibt Geschichten vom Scheitern und Neuanfang, von kreativen und schwierigen Wegen und zahlreiche Denkanstöße. Alle Geschichten haben ein Ziel: Sie sollen dem Leser Mut machen, seine eigene Situation in den Blick zu nehmen und sich neue Entscheidungsmöglichkeiten zu erobern.

Ich wollte keinen trockenen Ratgeber schreiben. Sondern erreichen, dass sich die Leser emotional berührt fühlen, sich dort widerfinden und dann selbst entscheiden, wie es für sie persönlich weitergeht. Ohne emotionale Beteiligungen funktioniert der Wandel nicht.

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Sie sagen, mit Anfang 50 bleiben viele bisher erfolgreiche Aufsteiger im mittleren Management stecken. Was sind die Hauptgründe dafür?

Wolff: Es gibt viele Manager im Alter von 50 plus, die bis dahin überwiegend erfolgreich im Job waren. Doch nur wenige von ihnen können auf der Karriereleiter weiter aufsteigen, denn die Spitzenpositionen sind rar. Die Masse landet meist in einer beruflichen Sackgasse.

Es gibt viele Faktoren, die einer klassischen Führungskraft mittleren Alters in einem Konzern dann die Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Sie realisieren, dass sie auf teuren Jobs sitzen, die 35-Jährige auch könnten – aber zu wesentlich geringeren Kosten. Auch die Kompetenz-Zuschreibung für neue Technologien und die Digitalisierung wird für Manager mittleren Alters immer schwieriger.

Vielen wird bewusst, dass die Unternehmen sie viel lieber loswerden, als behalten würden. Gleichzeitig nimmt auch der Druck von unten zu. Es ist nicht leicht, zunehmend mit aufstrebenden und ambitionierten jungen Führungskräften zusammenarbeiten zu müssen. Und so baut sich langsam ein Frustpotential auf, wenn die Midlife-Manager merken, dass sie nicht mehr so geschätzt werden, wie früher.

Ich nenne diese Situation den „Stuck State“. Es ist sozusagen ein Feststecken in der Sackgasse der eigenen Entwicklung und Karriere. Doch um bis zur Rente in diesem Stadium zu verharren, ist es noch zu früh. Schließlich hat man noch ein Drittel des Arbeitslebens vor sich. Wer nicht auf dem Abstellgleis landen will, der muss nun die Weichen für die nächsten 15 Jahre seines Berufslebens stellen.

 

Manager 50 plus

 

Was sind die Schwächen, was die klaren Stärken von Managern im mittleren Lebensalter?

Wolff: Die Stärken des Managers in den besten Jahren sind ganz klar seine weitreichenden Erfahrungen im Beruf und im Leben sowie sein umfangreiches Branchen Know-how. Er kennt seinen Konzern und die Entscheidungswege, verfügt über Netzwerke innerhalb und außerhalb seines Unternehmens und weiß diese zu nutzen.

Er hat ein paar Meter Vorsprung vor den jungen Leuten. Und wenn er diesen gut einsetzen kann und dabei auch bei der Technologie auf der Höhe der Zeit bleibt, dann ist er eigentlich viel besser aufgestellt, als die aufstrebenden Newcomer.

Aber im Konzern wird er meist anders gesehen und so muss er gegen die Vorurteile des Älterwerdens ankämpfen, weniger flexibel und schlau zu sein als die Jungen. Konzerne kümmern sich nicht wirklich um die Führungskräfte über 50, da macht das Älterwerden keinen Spaß.

 

Manager 50 plus

 

Warum ist das Feststecken in der Sackgasse so gefährlich? Warum sollte man nicht in einem „Business as usal“–Modus mit Blick auf die Rente verharren, sondern sich aktiv mit dieser Situation auseinandersetzen?

Wolff: Das Verharren im Stuck-State muss nicht zwangsläufig in einer großen Katastrophe enden oder zu einer Kündigung führen. Es gibt durchaus Manager, die sich arrangieren und bis zur Rente gut damit durchkommen. Aber es gibt eben auch die andere Hälfte, die sich nicht damit abfinden möchte, sich darüber Gedanken macht und sich fragt:

  • Will ich das wirklich, bin ich zufrieden damit?
  • Soll das alles gewesen sein oder erwarte ich noch mehr vom Leben?
  • Warum nutze ich nicht mein Netzwerk und meine Optionen – die ich mir hoffentlich vorher aufgebaut habe – um nach anderen Möglichkeiten zu schauen?
  • Bin ich vielleicht bereit, für das, was ich eigentlich gerne machen würde, auch finanzielle Einbußen hinzunehmen?

Eine wichtige Frage ist auch: Habe ich überhaupt Optionen? Der Grundtenor meines Buches ist ja: Schaffe Dir mit 45 Optionen, damit Du mit 55 wählen kannst. Das ist ja eigentlich die Idee, von vorneherein zu überlegen: Was könnte ich denn noch tun, außer diesem Job in dieser Organisation? Wie muss ich mich in der Branche bekannt machen? Welche Möglichkeiten gibt es noch? Möglicherweise schwebt mir eher die Selbständigkeit vor?

Mit diesen Überlegungen und Gedankenspielen muss man beginnen, wenn man in der Blüte seiner Karriere steht, nicht erst, wenn man im Stuck State feststeckt. Das ist die Botschaft: Leute fangt früh damit an, Euch Gedanken zu machen, was Ihr mit 50 machen wollt!

 

Business, Hochhaus

 

Welche Optionen ergeben sich für diese Manager im Stuck State?

Wolff: Das wichtigste ist erst mal, genau über sich nachzudenken, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und sich seiner Entscheidungsfreiheit bewusst zu werden. Die Reflexionsarbeit schafft einen offenen Raum, in dem Bewegung und Wachstum möglich ist. Das Ergebnis ist eine veränderte Haltung gegenüber sich selbst.

Ich bin nicht mehr Getriebener der Umstände, sondern ich bin frei und treffe selbst meine eigenen Entscheidungen, auf Basis gründlicher Überlegung. Die möglichen Wege folgen dem bekannten Muster: „Leave it, change it or love it.“ Dabei gibt es drei Optionen.

  1. Option: Die erste Option ist, dass nach einer Phase der Reflexion eine Trennung vom bisherigen Job unvermeidlich erscheint. Das kann darauf hinauslaufen, dass ich mir eine neue Aufgabe im Konzern suche, oder aber den Arbeitgeber wechsle. Das ist nicht unbedingt einfach mit 50 plus, aber durchaus machbar. Natürlich birgt diese Entscheidung das Risiko des Scheiterns, oder die Gefahr, nach einiger Zeit auch in der neuen Firma aufs Abstellgleis zu geraten. Gleichzeitig habe ich jedoch die Chance, noch einmal neu anzufangen und motiviert durchzustarten.

 

  1. Option: Es kann aber auch den kompletten Ausstieg bedeuten: Einen Branchenwechsel, den Sprung in die Selbständigkeit, Mischformen wie Beraterverträge oder eine Phase als Interimsmanager. Doch Vorsicht: Die Annahme, dass man als Selbständiger weniger Workload als im Konzern hat und annähernd das gleiche verdient wie vorher, ist eine Illusion. Aber die Selbständigkeit hat eine andere Qualität. Ich tue das, was ich tue, für mich – und das kann unglaublich motivierend und erfüllend sein.

 

  1. Option: Ich kann mich aber auch entscheiden, in das alte System, von dem ich mich im Stuck-Zustand distanziert habe, zurückzukehren. Aber das Bisherige ganz anders zu machen und mich neu in das Unternehmen und den Job zu verlieben. Ich nenne das „Rejoin the Company“. Auch das geht, wenn man sich in aller Freiheit und guten Willens dafür entschieden hat. So kann durch eine neue Verbundenheit wieder Sinn entstehen.

 

Es gibt aber viele Menschen, die keine Möglichkeiten für Veränderungen sehen und für sich ein Auskommen mit der Situation finden müssen. Sie müssen dann weiter versuchen, einen guten Job zu machen und sich zu integrieren. Das ist ja auch nicht falsch. Ich kann auch damit zufrieden sein, was ich mir beruflich geschaffen habe. Zudem kann ich mir vielleicht außerberuflich Dinge suchen, die mir Freude machen und mich mehr auf die Familie konzentrieren.

 

Möglichkeiten, Karriere

 

Wie kann ich erkennen, welcher Weg für mich der richtige ist? Welche Unterstützung können Profis wie Coaches oder Newplacer für den eigenen Neustart bieten?

Wolff: Sicher spielt das Erkennen der eigenen Neigungen und Leidenschaften eine wichtige Rolle. Aber der richtige Weg leuchtet nicht einfach so vor mir auf. Wenn ich erkenne, dass ich durch eigenes Denken und Handeln nicht ohne weiteres zu diesem richtigen Weg finde, dann muss ich mir helfen lassen. Dieser Prozess braucht auch ein bisschen Führung.

Mein Rat: Setzt Euch mit Menschen zusammen, die Euch die richtigen Fragen stellen! Dann werdet Ihr, wenn Ihr gut sucht, einen Weg finden, der Euch vorher nicht so klar war, auf dem Ihr Eure Stärken und Interessen kombinieren könnt. Das erfordert Reflexionsarbeit, die aus eigener Kraft nicht hinzukriegen ist, nach dem Motto „ich setze mich an den Strand und schau auf die Wellen“. Das ist aktive Arbeit, ein aktives Suchen. Und wenn das Geld kostet, so ist es exzellent investiert.

Wichtig ist dabei auch das richtige Timing. Ich sollte nicht erst mit der Suche nach dem richtigen Weg beginnen, wenn die Krise bereits da ist. Sondern ich muss zu der Zeit, wenn es mir noch gut geht, versuchen, meine Optionsräume zu erweitern – um wirklich noch das Gefühl der Wahl zu haben. Wer keine Wahl hat bleibt leicht stecken. Je mehr Optionen ich habe, die ich mir gut vorstellen kann – und auch weiß, was ich für mich ausschließe – desto selbstbewusster kann ich damit umgehen.

Wie kann ich einen guten Coach finden, der zu mir passt?

Wolff: Den richtigen Coach zu finden ist eine sehr wichtige, aber keine leichte Aufgabe. Sicher können Internet-Portale die Suche erleichtern. Der Coach muss die richtige Erfahrung für mich und meine Situation mitbringen und jemand sein, mit dem ich auf der persönlichen Ebene klar komme, dem ich voll und ganz vertrauen kann.

Wenn ich eine Führungskraft im mittleren Management eines Konzernes bin, dann muss ich mir jemanden suchen, der in einer ähnlichen Organisation gearbeitet hat und die Herausforderungen kennt. Ein Vertriebsleiter mit dem schwarzen Gürtel in NLP oder einer weit verbreiteten Coachingausbildung wird mir da nicht viel weiterhelfen können. Ich gehe auch nicht mit einem Bergführer auf einen Gipfel, der selbst noch nicht oben war.

Ein guter Bergführer macht zweierlei. Er schaut erst mal, ob ich in der Lage bin, dort hoch zu gehen. Und ob er genug Vertrauen aufbauen kann, dass ich ihm die Kompetenz zuschreibe, mich in Krisensituationen zu begleiten. Vertrauen und Erfahrung sind zwei essentielle Punkte. Wenn ich kein gutes Gefühl mit dem Coach habe, dann suche ich mir jemanden anderen.

 

Neustart im Beruf, Coach

 

Was bedeutet die Kunst des klugen Scheiterns?

Wolff: Egal, was wir tun, wir müssen das Scheitern immer als Option des Handelns mit einkalkulieren. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Dinge anders entwickeln können, als wir uns das vorgestellt haben. Wenn es anders kommt, dann sollten wir das als interessante Variante erleben. Und nicht als Scheitern in dem Sinne, dass ich ein Versager oder ein unfähiger Mensch bin. Sich mit den positiven und negativen Seiten dessen, was man da tut, auseinanderzusetzen, das ist schlaues Scheitern. Es ist wichtig, aus Fehlern zu lernen, ohne dabei in große Selbstzweifel zu verfallen.

Das Lernen findet stets hinter der roten Linie statt, das heißt jenseits der Komfortzone oder jenseits dessen, was ich schon immer getan habe. Wenn ich die rote Linie überschreite, dann muss ich auch erst mal damit rechnen, dass ich vielleicht nicht erfolgreich sein werde. Gleichzeitig muss ich auch Optimismus entwickeln und bereit sein, dort Erfahrungen zu sammeln, die mir weiterhelfen können. Möglicherweise ist das Scheitern ein Schritt zurück, bei dem ich erkenne, dass ich einen anderen, besseren Weg zum Ziel einschlagen muss. Wenn ich bereits nach dem ersten Versuch die Flinte ins Korn werfe, dann komme ich nicht weiter. Sich in die Ecke zu setzen und zu weinen, das bringt nichts.

Am Ende des Buches fordern Sie die Leser dazu auf, Ihnen ihre Geschichte aufzuschreiben und zu schicken. Was hat es damit auf sich?


Wolff:
Damit gewinnen die Leser mehr Klarheit über ihre Situation. Sie stellen Verknüpfungen zu den Texten her, die sie in meinem Buch „angerührt“ haben. Sie können die Denkanstöße aus den Kapiteln mit einbeziehen. Das hilft ihnen, ihr Innerstes auszuleuchten, in dunkle Ecken und Nischen vorzustoßen. Die Erfahrung zeigt: Alles, was Sie aufschreiben bekommt eine Tiefe, die mit oberflächlichem Denken nicht vergleichbar ist.

Und sie sollen mir ihre Geschichte schicken. Auf meiner Internetseite gibt es dazu Anweisungen und auch die Option, mit mir über die Geschichte zu reden und weitere Ideen zu entwickeln. Man könnte es Telefoncoaching nennen, wenn der Name nicht so schrecklich wäre. Und wenn spannende Geschichten zu Tage kommen, wird es vielleicht ein neues Buchprojekt….

 

Richard Wolff

 

Sie selbst haben nach einer steilen Karriere in internationalen Konzernen mit 50 den Sprung in die Selbständigkeit als Berater und Coach gewagt. Wie kam es dazu?

Wolff: Fünf Jahre Siemens, ebenso lange im Medienkonzern Bertelsmann, später Direktor einer Medienakademie, das hat mich reichlich Erfahrungen und Demut gelehrt. Ich habe zuletzt lange Zeit bei dem Wirtschaftsprüfer und Strategieberater PWC gearbeitet und bin bis zum Chef eines Vorstandstabes und Partner aufgestiegen. Dabei durfte ich direkt an den Vorstandssprecher berichten. In erster Linie habe ich mich um die Weiterentwicklung der Führungskräfte gekümmert.

Wenn man erfolgreich ist, viel Geld verdient und die Anerkennung der Organisation hat, dann gibt man das natürlich nicht so einfach auf. Von dieser Position aus in die Selbständigkeit zu gehen, mit allen Risiken, die damit verbunden sind, war nicht leicht. Das hätte ich auch nicht gemacht, wenn nicht einige Faktoren zusammengekommen wären.

Was ist passiert? Ich habe mich mit meinem Chef angelegt und auch privat gab es eine Krise, ich habe mich damals scheiden lassen. Doch ich hatte schon mein ganzes Leben lang im Hinterkopf, dass ich mich irgendwann einmal selbständig machen werde als Coach und Berater, denn das hat mir im Job immer Spaß gemacht.

Außerdem habe ich mit einer tollen Frau ein neues Leben angefangen, die sehr erfolgreich im Beruf ist und dadurch hatte ich auch die Option, anders arbeiten zu können. So gab es in dieser Situation den Druck auf der einen Seite, aber auch die Optionen auf der anderen Seite. Da war der Schritt in die Selbständigkeit die einzige schlaue Option und es hat gut funktioniert.

Welches Zwischenfazit ziehen Sie zu Ihrer Selbständigkeit?

Wolff: Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe und ich würde das nie mehr umkehren wollen. Sicherlich hatte ich in der Selbständigkeit nicht weniger zu tun als vorher und nicht das gleiche Geld verdient. Doch ich habe dadurch persönliche Freiheitsgrade gewonnen, die ich sonst nie erreicht hätte. Ich tue heute Dinge, die ich in einem Konzern niemals hätte tun können.

Ich kann frei wählen, was ich tun möchte, ich muss mich nicht unterordnen und die Eigenständigkeit hat eine Menge Möglichkeiten für mich eröffnet. Allerdings muss man sagen, dass es diese Freiheit nur gibt, wenn man in der Selbständigkeit erfolgreich ist. Wer nur am Existenz-Minimum kratzt, hat diese Freiheitsgrade nicht.

 

Freiheit in der Selbständigkeit

 

Sie sind Geschäftsführer des Beratungsunternehmens b4 Consulting & Coaching. Worauf haben Sie sich spezialisiert?

Wolff: Aufgrund meiner beruflichen Erfahrung liegt mein Fokus vor allem auf der Beratung und dem Coaching von Führungskräften aus Konzernen. Ich werde aber auch immer mehr von mittelständischen Unternehmen angefragt, bei denen ich dann meist direkt mit dem Geschäftsführer oder dem Personalmanager zusammenarbeite.

Mein Spektrum deckt breite Bereiche des Human Resources Sektors ab, von Change Management und Organisationsentwicklung über Karriereberatung bis hin zu Workshops und Trainings. Im Grunde genommen berate ich Führungskräfte dabei, wie sie in der Organisation wirksamer und erfolgreicher sein können. Meine besondere Stärke ist die Kombination von Beratung und Coaching. Ich bin ein erfahrener Senior-Berater, der große HR-Projekte stemmen, aber auch ganz hemdsärmelig Workshops machen kann.

Bei den Human Resources-Trends bleibe ich stets auf der Höhe der Zeit und bin über alle neuesten Tools informiert. Meine Frau ist HR-Manager in einem großen Sportartikelkonzern, das heißt Organisation & Personal ist bei uns Alltagsthema am Frühstückstisch.

Wer sollte an Ihren regelmäßig stattfindenden Workshops teilnehmen?

Wolff: Die Formate „Schwabinger Abend“ – vier Stunden abends –, „Intensivworkshop“ – 1,5 Tage – oder sogar fünf Tage auf einem Segler richten sich an alle Führungskräfte im Alter von 45 bis 55 plus, die eine berufliche Standortbestimmung vornehmen, Entwicklungspotenziale erkennen und neue Perspektiven für ihre Karriere schaffen wollen. Wichtige Fragen sind:

  • Welche Möglichkeiten habe ich, meine Karriere noch einmal voranzutreiben?
  • Wie kann ich Beruf und Privatleben besser vereinbaren?
  • Lohnt ein Wechsel des Arbeitgebers oder der Sprung in die Selbständigkeit?

Im Zentrum stehen ein Live-Coaching in der Gruppe, die Bearbeitung individueller Fragen, das Erkennen neuer Wege am Arbeitsmarkt, Erfahrungsaustausch in der Gruppe und Networking. Es ist immer unglaublich hilfreich, die Geschichten von anderen Menschen zu hören, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und das Gefühl zu haben, mit diesem Thema nicht allein zu sein.

 

 

Welche Rolle spielt der Beruf für den Sinn des Lebens?

Wolff: Wenn ich die Leute im Coaching nach Ihrem persönlichen Lebenssinn frage, dann haben sie meist keine guten Antworten parat. Sicher nimmt der Beruf bei den meisten Menschen den Großteil ihrer Lebenszeit ein und da wäre es durchaus positiv, eine für sich persönlich sinnstiftende Aufgabe zu haben. Aber ich muss auch sehen, ob der Beruf nur Mittel zum Zweck ist für Geld, Ansehen und Prestige. Ob er mich mit Haut und Haaren verschlingt und sich das ganze Leben nur noch um die Karriere dreht.

Ich stelle häufig fest, dass viele Führungskräfte in großen Organisationen das Gefühl haben, fremdgesteuert zu sein – das widerspricht ja eigentlich dem Sinn. Sinn kann ich nur finden, wenn ich das Gefühl habe, mein Tun selbst steuern und selbst beeinflussen zu können und meine Wirksamkeit in meinem Arbeitskontext zu erleben ist. Wenn ich in irgendeiner Mühle drinstecke, in der ich fremdgesteuert bin, dann ist es nicht einfach, darin einen Sinn zu sehen. 

Was ist Ihr ganz persönlicher Sinn des Lebens?

Wolff: In der Tat, sehr persönlich. Ich bin als Flüchtlingskind aufgewachsen. Meine Eltern waren arme Leute aus Schlesien, die nicht viel Geld hatten und mir trotzdem eine gute Ausbildung und ein Studium ermöglicht haben. Das möchte ich als Vater gerne an meine Kinder zurückgeben. Ich sehe meinen Sinn darin, meinen Kinder eine möglichst gute Ausbildung zu ermöglichen, sie zu unterstützen, aber auch zu fordern. Das macht das Ganze für mich rund.

Das ist meine Philosophie und andere Menschen mögen ihren Sinn in anderen Dingen sehen. Außerdem macht mir meine berufliche Aufgabe wirklich Spaß. Es ist für mich eine Erfüllung zu arbeiten und Bestätigung zu bekommen. Ich bin jetzt 61 und ich möchte arbeiten, bis ich 75 bin. In der Arbeit Leidenschaft zu spüren und Dinge zu tun, die man gut kann, das macht Sinn!

Das Interview führte Markus Hofelich.

Weitere Informationen unter: www.reboot-wolff.de
Bilder: Richard Wolff / Verlag Droemer Knaur / Pixabay, Unsplash

 

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