Wer einen kurzweiligen Einstieg in die Grundlagen abendländischen Denkens sucht, ist mit dem Klassiker „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder bestens bedient. Der Roman über die Geschichte der Philosophie führt den Leser leicht verständlich und unterhaltsam in die Gedankenwelt großer Denker ein, von der Antike über das Mittelalter, die Renaissance, Aufklärung und Romantik bis hin zum Existentialismus des 20. Jahrhunderts. Eingebettet in eine spannende Rahmenhandlung – mit verblüffenden Ende – um das 15-jährige Mädchen Sofie Amundsen aus Oslo. Kaum ein anderes Buch zieht den Philosophie-Einsteiger so leicht und spannend in seinen Bann und macht Lust darauf, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Das 1991 entstandene Werk war ursprünglich für Jugendliche gedacht, hat aber auch viele erwachsene Leser gefunden. Bis 2011 wurde „Sofies Welt“ in 59 Sprachen übersetzt und weltweit über 40 Millionen Mal verkauft.
Geheimnisvolle Briefe eines Unbekannten
„Wer bist Du?“, „Woher kommt die Welt?“: geheimnisvolle Zettel mit Fragen wie diese findet Sofie Amundsen kurz vor ihrem 15. Geburtstag plötzlich im Briefkasten. Ein mysteriöser Unbekannter hatte Sofie unvermittelt aus dem Alltag gerissen, sie mit den großen Rätseln des Universums konfrontiert und zum Nachdenken über sich und die Welt anregt. Aus den Zetteln werden ausführliche Briefe mit weiteren Fragen und Denkaufgaben. Schließlich gibt sich der anonyme Briefeschreiber als Alberto Knox zu erkennen, ein älterer Herr, der Sofie auf diese Weise einem Philosophiekurs unterziehen möchte.
Wichtige Fragen, die Menschen zu allen Zeiten gestellt haben
„Die beste Herangehensweise an die Philosophie ist es, philosophische Fragen zu stellen“, erklärt Alberto Knox seiner Schülern: „Wie wurde die Welt erschaffen? Liegt hinter dem, was geschieht, ein Wille oder ein Sinn? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wie sollten wir überhaupt Antworten auf diese Fragen finden? Und vor allem: Wie sollten wir leben? Solche Fragen haben die Menschen zu allen Zeiten gestellt. Wir kennen keine Kultur, die sich nicht gefragt hat, wer die Menschen sind oder woher die Welt stammt. Im Grunde können wir gar nicht so viele philosophische Fragen stellen. Aber die Geschichte zeigt uns viele unterschiedliche Antworten auf jede einzelne Frage, die wir gestellt haben. Es ist also leichter, philosophische Fragen zu stellen, als sie zu beantworten. Auch heute muss jeder einzelne seine Antworten auf diese Fragen finden. Wir können nicht im Lexikon nachschlagen, ob es einen Gott oder ein Leben nach dem Tod gibt. Lesen, was andere Menschen gedacht haben, kann aber trotzdem eine Hilfe sein, wenn wir uns unser eigenes Bild vom Leben und der Welt machen müssen.“
Sofie und Alberto: Philosophiekurs als Briefwechsel
Der Philosophiekurs setzt sich in weiteren ausführlichen Briefen fort, dabei ist jeder Brief einer wichtigen Epoche oder einem bekannten Denker gewidmet. Schließlich lernen sich Alberto und Sofie persönlich kennen und Gespräche von Angesicht zu Angesicht ersetzen den Briefwechsel. So erhält Sofie (und der Leser) Schritt für Schritt Einblicke in die Gedankenwelt der griechischen Philosophen Parmenides, Demokrit, Sokrates, Platon, Aristoteles, Diogenes, Epikur, Plotin, der Denker des Mittelalters Augustinus und Thomas von Aquin, der Aufklärungsphilosophen Descartes und Spinoza, der Vertreter der Aufklärung John Locke, David Hume, George Berkeley und Immanuel Kant. Hinzu kommen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Søren Kierkegaard, Karl Marx, Charles Darwin, Sigmund Freud und der Existentialist Jean-Paul Sartre.
– Anzeige / Datenschutz –
Mysteriöse Wendung: Nichts ist so, wie es scheint
Neben wichtigen Stationen der abendländischen Geistesgeschichte sorgt auch die Rahmenhandlung für Spannung, die plötzlich eine unerwartete, mysteriöse Wende erfährt. Aufgrund unerklärlicher Vorfälle beginnt Sofie, ihre Existenz und ihre Welt in Frage zu stellen. Als ihr Alberto in einem Buchladen ein Werk mit dem Titel „Sofies Welt“ zeigt, erfährt sie, dass sie und Alberto Teil eines Buches sind und lediglich im Bewusstsein des Autors leben: Albert Knag, ein im Libanon stationierter UN-Major hat das Werk in der Ferne als Geburtstagsgeschenk für seine Tochter Hilde in Norwegen geschrieben. Sofie und Alberto sind lediglich „als Umrahmung des philosophischen Unterrichts ersonnen worden“, um Hilde die Welt der Philosophie schmackhaft zu machen. So konfrontiert Jostein Gaarder den Leser mit der Frage „was ist Wirklichkeit, was reine Fantasie?“. Schließlich versuchen Alberto und Sofie aus der Geschichte zu entfliehen und ihrem Dasein als fiktive Personen zu entkommen.
Eine kritische Einstellung gegenüber der Welt
Höhepunkt ist ein philosophisches Gartenfest, das Sofie zu ihrem 15. Geburtstag feiert. In einer philosophischen Rede appelliert Alberto an die jugendlichen Gäste: „Abschließend kann ich Euch jungen Leuten einen kleinen Kurs über die Geschichte der Philosophie empfehlen. Dadurch entwickelt ihr eine kritische Einstellung gegenüber der Welt, in der ihr lebt. Es ist auch wichtig, den Werten der Elterngeneration gegenüber kritisch zu sein. Wenn ich Sofie etwas beizubringen versucht habe, dann kritisches Denken.“
Fazit:
Mit seinem Buch „Sofies Welt“ hat Jostein Gaarder deutlich gemacht, dass Philosophie spannend sein und Spaß machen kann, ja alles andere als trocken und verstaubt sein muss. 1993 erstmals in deutscher Sprache erschienen, hat das Werk bis heute nichts an seiner Faszination für junge und ältere Leser eingebüßt. Kaum ein anderes Buch zieht den Philosophie-Einsteiger so leicht verständlich, spannend und unterhaltsam in seinen Bann und macht Lust darauf, sich intensiver mit der Weltanschauung großer Denker auseinanderzusetzen. Die überraschende Wende der Rahmenhandlung macht dem Leser deutlich, dass es verschiedene Wirklichkeiten gibt und man sich nicht unkritisch auf seine Sinneswahrnehmungen verlassen darf. 1999 wurde das Buch unter norwegischer Produktion als Spielfilm und als Fernsehserie mit acht Episoden verfilmt.
Zum Autor: Jostein Gaarder
Jostein Gaarder wurde 1952 in Oslo geboren und studierte Philosophie, evangelisch-lutherische Theologie und norwegische Literaturwissenschaft an der Universität Oslo. Danach war er in der Kinder- und Erwachsenenbildung tätig. Der Norweger unterrichtete Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft an Volkshochschulen, war Religionslehrer am Gymnasium. Außerdem gab er Vorlesungen an den Universitäten Oslo und Bergen. Der Durchbruch als Schriftsteller von Weltruhm gelang ihm mit seinem ursprünglich für ältere Kinder und Jugendliche vorgesehenen, aber auch von vielen Erwachsenen gelesenen Werk „Sofies Welt“, das er 1991 geschrieben hatte.
Die deutsche Fassung erschien 1993 ursprünglich im Carl Hanser Verlag, heute ist sie im Deutschen Taschenbuch Verlag dtv, Reihe Hanser, erhältlich. Für „Sofies Welt“ wurde Gaarder 1994 mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Er ist mit der Theaterwissenschaftlerin Siri Dannevig verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Familie in Oslo. Bis heute erschienen weitere 16 Bücher von Gaarder in deutscher Sprache. Darunter im Jahr 1995 „Das Kartengeheimnis“, 2003 „Das Orangenmädchen“ und zuletzt 2013 „2084 – Noras Welt“. Keines davon konnte allerdings an den überwältigenden Erfolg von „Sofies Welt“ anknüpfen.
Bilder: Pixabay, Amazon