„Oh mein Gott – Ungewöhnlicher Selbstversuch: 5 Weltreligionen in 5 Monaten“ heißt das Buch des aus dem Hitradio Ö3 bekannten österreichischen Kabarettisten, Comedian und Autors Christian Schwab. Der Titel ist Programm: Christian Schwab hat die fünf Weltreligionen einem Praxistest unterzogen und jeweils einen Monat lang die Regeln des jeweiligen Glaubens befolgt. Er ging im Selbstversuch den Fragen nach: Wie lebt es sich als gläubiger Jude, Buddhist, Hindu, Christ oder Muslim? Wie fühlt sich das vom Aufstehen bis zum Schlafengehen an? Im Interview spricht Christian Schwab über seine Erfahrungen, die größten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Religionen gegenüber dem Christentum und wie sich dadurch seine Einstellung gegenüber Gott und Glauben verändert hat.
Herr Schwab, Sie sind im Alter von 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten und leben seitdem „ohne Bekenntnis“. Was waren die Gründe dafür?
Schwab: Austritte und Kritik an der Kirche waren zu diesem Zeitpunkt sehr im Trend. Es war bei mir aber kein konkreter Anlass, eher ein spätpubertärer Akt. Ich wollte bei der Kirchenbeitragsstelle meinen Beitrag runterfeilschen, und fühlte mich von der biederen Art der zuständigen Angestellten so sehr provoziert, dass ich gesagt habe: „Wissen Sie was, streichen Sie mich gleich aus Ihrem Verein raus.“
Was hat Sie den Fragen nach Glaube und Gott wieder nähergebracht?
Schwab: Ich bin von diesen Fragen nie weggerückt und habe mich immer wieder damit beschäftigt. Gerade wenn man keiner Glaubensgemeinschaft angehört, ist die Suche nach einer Antwort ja viel spannender, weil die vorgegebenen nicht 1:1 übernommen werden. Der plötzliche Tod meines Vaters vor drei Jahren hat aber diese Fragen sicherlich intensiviert.
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5 Weltreligionen in 5 Monaten – wie sind Sie auf die Idee zu diesem außergewöhnlichen Experiment gekommen?
Schwab: Im Hinterkopf war die Idee, die anderen, mir nicht vertrauten Religionen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch kennenzulernen, schon länger da. Bei einem Gespräch mit dem Chef des Buchverlags „edition a“, Bernhard Salomon, ist diese Idee dann auch nicht mehr aus seinem Kopf gegangen. Und nachdem ich die Christmette in meinem Herkunftsort im Kärntner Lavanttal besucht hatte, die ein indischer Pfarrer leitete, gab es kein Zurück mehr. Das war dann die endgültige Initialzündung, mit dem Beginn des Neuen Jahres den Selbstversuch zu starten.
In welchen Religionen mussten Sie Ihre Lebensweise am stärksten umstellen? Wo ist Ihnen die „Integration“ noch am leichtesten gefallen?
Schwab: Am stärksten umstellen musste ich mein Leben sicherlich im Judentum und im Islam. Das Leben im Judentum ist voller Rituale und Vorschriften, sei es das koschere Essen, oder auch der Schabbat. Aber genau diese klaren Vorgaben haben mir geholfen, rasch in die Religion reinzukommen. Im Islam war es ebenso eine starke Umstellung, als ich den Ramadan mitgemacht habe: Fünf Mal am Tag zu beten ist neben dem Verzicht auf Essen und Trinken während des Tages eine echte Herausforderung. Und das im Hochsommer! Viel mehr Lebensumstellung geht gar nicht. Aber eben wie schon im Judentum, wurde die Integration durch diese Regeln auch insofern leicht gemacht, da ich wusste, was ich zu tun oder nicht zu tun habe. Beim Hinduismus zum Beispiel war ich zwar viel freier, habe mir aber die Regeln, Sitten und Gebräuche selber mit viel Nachfragen mühevoller erarbeiten müssen. Da Wien halt doch nicht unbedingt eine Hochburg des Hinduismus ist.
Was hat Sie am meisten überrascht? Was waren die größten Unterschiede in der Lehre, die Sie in anderen Religionen im Vergleich zum Christentum gesehen haben?
Schwab: Am meisten überrascht haben mich die Offenheit und der Humor, gepaart mit viel Selbstironie, von vielen muslimischen Jugendlichen, die ich kennenlernen durfte. Aber auch der konsequente, harte Übungsweg des Zen-Buddhismus sowie die wirklich große Verschlossenheit der strenggläubigen Juden. Der größte Unterschied ist, dass man sich zum Beispiel im Hinduismus mehr der Freude am Leben widmet, als dem Leid. Im Christentum kommt zu allererst: „Erlöse mich von dem Bösen. Und durch meine Schuld, durch meine große Schuld“. Während im Hinduismus zuerst mal getanzt und gesungen wird.
In welchen Religionen haben Sie die größten Gemeinsamkeiten zum christlichen Glauben entdeckt?
Schwab: Judentum und Islam sind ja aufgrund der Geschichte dem Christentum sehr viel näher, als viele glauben möchten. Die Tora ist das Alte Testament. Jesus wird im Islam als Prophet anerkannt, er ist der letzte Vorgänger vor Mohammed. Es sind also oft nur kleine Unterschiede, die aber schon sehr oft für große Konflikte gesorgt haben. Und es leider immer wieder tun werden.
Gibt es trotz aller Unterschiede einen roten Faden, der sich durch alle 5 Weltreligionen zieht?
Schwab: Jeder glaubt er hat recht. Und im Grunde geht es schon in allen Religionen um eines: „Save your ass“. Fürs Jenseits oder für das nächste Leben.
Welchen Beitrag leisten die Religionen für das soziale und kulturelle Zusammenleben der Menschen?
Schwab: Wohl einen viel größeren, als es vor allem die weltlichen „Party-Christen“ oder auch Atheisten wahr haben wollen. Der geregelte Jahreskreislauf, die Rituale, Hochzeiten, Begräbnisse oder Feste geben den Menschen Orientierung und halten auch die Gesellschaft im Großen und Ganzen zusammen. Alleine die Besuche von Moscheen, Tempeln, Synagogen oder Kirchen auf Reisen, die viele auch nur aus Sightseeing-Gründen machen, zeigen die kulturelle Errungenschaft der Religionen. Viele davon, oder die meisten, wurden jedoch durch Gewalt geschaffen.
Welches Fazit ihres Experiments ziehen Sie? Haben Sie dadurch den richtigen Weg für sich gefunden? Wie hat sich Ihre Einstellung zum Christentum verändert?
Schwab: Vor allem durch das Wiedersehen mit Pater Siegfried, bei dem ich als Kind ministriert habe, und auch durch meinen 48 Stunden-Aufenthalt in „seinem“ Kloster, habe ich wieder einen entspannteren Zugang zum Christentum gefunden. Mein Fazit ist, dass ich zum Beispiel gelernt habe, was es heißt, ein gläubiger Mensch im Sinne der Religionen zu sein. Da kann ich nicht mit, da bin ich viel zu hinterfragend, viel zu kritisch, viel zu sehr auch vielleicht in Humorebenen denkend. Ob das der richtige Weg ist, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass es garantiert nicht der falsche ist.
Sie sind Autor, Kabarettist und Comedian. Waren die 5 Monate religiöse Selbsterfahrung ein starkes Kontrastprogramm zu Ihrem Berufsleben? Inwiefern spielen Humor und die Beschäftigung mit fundamentalen Lebensfragen in beiden Welten eine Rolle?
Schwab: Es war insofern kein Kontrastprogramm, da man ja – egal was man im Leben macht – auch immer Kabarettist ist. Das kann man gar nicht trennen. Deswegen bin ich an den Selbstversuch – neben dem nötigen Respekt – mit dem für mich unbedingt notwendigen Humor herangegangen. Außerdem war diese Selbsterfahrung ja auch insofern beruflich, da am Ende das Buch: „Oh mein Gott“ herausgeschaut hat. Zu jeder noch so ernsten und fundamentalen Lebensfrage gehört der Humor dazu. Diesen Beitrag soll auch mein Buch leisten.
Schwab: Es geht dabei nicht nur um die Welt, sondern auch hier um Gott. Ausgehend von der Frage „Hat uns wirklich ein Gott erschaffen oder war es nur der Urknall ?“ gibt es eine Zeitreise durch die Weltgeschichte. Die zeigt, was und wen wir Menschen schon alles überlebt haben. Und schließlich sind wir immer noch da. Deshalb dürfen wir trotz aller Probleme ruhig etwas optimistischer und fröhlicher sein. Quallen zum Beispiel überleben mittlerweile seit Millionen von Jahren, ohne ein Hirn zu besitzen. Also gibt’s Hoffnung, dass wir zum Beispiel auch Donald Trump überstehen werden. Außerdem werden im aktuellen Programm wieder ganz viele prominente Persönlichkeiten parodiert, ein Markenzeichen der Comedy Hirten.
Welche Projekte stehen 2018 auf Ihrer Agenda?
Schwab: Ein neues Comedy Hirten Programm, mit Premiere im April. Es heißt „Alles perfekt“ und dabei widmen wir uns dem Optimierungswahn des Menschen: Alles wird immer schöner, besser, schneller und trotzdem werden wir nicht glücklicher. Eine ironische Betrachtung des Zeitgeistes, die vielleicht sogar für manche eine therapeutische Wirkung hat. Alle anderen sollen halt in der Pause oder nach dem Stück gut Netzwerken.
Was ist für Sie persönlich der Sinn des Lebens?
Schwab: Da bin ich wieder beim Humor. Wenn es Gott, Götter, eine Göttin oder Göttinnen gibt, dann hat/haben er/sie/alle zusammen was Geniales erfunden – Humor! Kurioserweise haben ausgerechnet Fundamentalisten – egal welcher Religion – kaum bis kein Verständnis dafür. Aber diesen Humor braucht es eben, auch bei den Sinnfragen. Das Leben, das Universum, warum wir da sind, woher wir kommen, wohin wir gehen – all diese Dinge werden wir Menschen mit unseren dann doch geringen Möglichkeiten nie erfassen können.
Umso schöner ist es doch, nicht nur an ein Leben nach, sondern auch an ein Leben vor dem Tod zu denken. Die Welt, die Erde auf der wir leben, ist im Grunde so wunderschön, dass wir uns mehr darum kümmern sollten, daraus ein Paradies zu machen. Und nicht nur auf ein Paradies zu warten, von dem wir (noch) keine Ahnung haben. Also ist der Sinn des Lebens wohl, das Beste aus der Zeit hier zu machen. Und die Augen und Ohren für die großen und kleinen Wunder offen zu haben, die sich einem täglich so bieten.
Das Interview führte Markus Hofelich.
Weitere Informationen unter: www.christianschwab.at ; www.comedyhirten.at
Bilder: Lukas Beck / Comedy Hirten / Buchcover: edition a
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