Interview mit Florian Westermann, Phototravellers: „Die Leidenschaft zum Beruf machen“

by Hofelich
Interview mit Florian Westermann, Phototravellers: „Die Leidenschaft zum Beruf machen“

Florian Westermann hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Im Frühjahr 2018 gab er seine sichere Festanstellung als Finanzredakteur auf, um zusammen mit seiner Lebensgefährtin Biggi den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Sein Blog Phototravellers, auf dem sich alles um Reisen, Wandern und Fotografie dreht, wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und zählt heute zu den größten Reiseblogs in Deutschland. „Das Leben ist viel zu kurz, um Träume auf die lange Bank zu schieben“, ist sein Credo. Im Interview spricht er über die Entscheidung, sich selbständig zu machen, den Umgang mit Herausforderungen, sein Fazit nach anderthalb Jahren als Entrepreneur und über den Sinn des Lebens.

Wie fühlt es sich an, wenn man es geschafft hat, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen?

Westermann: Das ist natürlich der Traum von vielen. Nach knapp eineinhalb Jahren in der Selbständigkeit als Fotograf und Reiseblogger kann ich sagen: ich bereue keine Sekunde. Jeder Tag ist anders und ich weiß nie, was Morgen auf mich zukommt.

Ich muss dazu aber auch sagen: es ist wirklich viel Arbeit. Feierabend oder Wochenenden kennen wir – ich betreibe den Blog ja zusammen mit meiner Lebensgefährtin – nicht. Aber es macht Spaß und die Arbeit fühlt sich nicht als solche an. Von daher: alles richtig gemacht.

Interview mit Florian Westermann, Phototravellers: „Die Leidenschaft zum Beruf machen“

 

Was zeichnet für Dich persönlich echtes, wahres Glück und ein sinnerfülltes Leben aus? Welche Rolle spielt dabei die Arbeit?

Westermann: Das Leben ist viel zu kurz, um Träume auf die lange Bank zu schieben. Ich habe genug Freunde, die jetzt Karriere machen und die jetzt sagen, eines Tages mache ich das auch alles. Meine Lebenserfahrung sagt mir aber, dass aus eines Tages leider nie etwas wird.

Glück ist, nach der Gesundheit, wenn man sich seine Träume erfüllt. Die Arbeit steht dem leider oft entgegen. Ich kenne viele, die hangeln sich von Wochenende zu Wochenende. Am Montag wünschen sie sich schon den Freitag her. Wenn man in diesem Trott gefangen ist, sollte man dringend etwas ändern. Das Leben zieht sonst an einem vorbei und bevor man sich versieht, ist das Leben vorbei.

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2010 hast Du neben Deinem Beruf als angestellter Finanzredakteur den Blog Phototravellers gestartet. Wie kam es zu dieser Idee? Was fasziniert Dich besonders daran?

Westermann: Ich wurde schon früh mit dem Reisevirus infiziert. 2010 hatte ich die Idee, meine Reisen insbesondere für Freunde und Bekannte ein wenig aufzubereiten. Damals stand überhaupt kein finanzieller Gedanke hinter dem Projekt. Im Laufe der Zeit kamen aber immer mehr Leser auf den Blog und so wurde aus dem einstigen Hobby-Projekt ein echtes Business.

 

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Welches Themenspektrum deckst Du heute ab?

Westermann: Auf Phototravellers dreht sich alles um unsere Leidenschaften Reisen, Wandern und Fotografie. Diese drei Aspekte bilden den Kern des Blogs. Meistens findest du in unseren Artikeln auch alle drei Bereiche wieder.

Im Frühjahr 2018 hast Du Deine sichere Festanstellung beim Münchener Finanzen Verlag aufgegeben und den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Was waren die Gründe dafür? Welche wichtigen Fragen hast Du für Dich geklärt, um diesen Schritt zu gehen?

Westermann: Ich wollte einfach mehr Zeit draußen in der Natur verbringen und kleine Abenteuer erleben. 30 Tage Urlaub im Jahr und die Wochenenden sind dafür einfach nicht genug. Klar, mein Job als Finanzjournalist hat mir Spaß gemacht, aber meine Leidenschaft sind Reisen und die Berge. Und das hat sich einfach nicht mehr unter einen Hut bringen lassen.

Im Büro sitzen, während draußen bestes Bergwetter ist, das konnte ich nicht mehr. Meiner Lebensgefährtin ging es genauso – und so war die Entscheidung klar.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Deiner Lebensgefährtin Biggi aus? Welche Chancen und Risiken liegen darin, als Paar zusammen selbständig zu sein und alles auf eine Karte zu setzen?

 

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Westermann: Man muss als Paar extrem gut harmonieren. Andernfalls kann es zu echten Spannungen und Krisen in der Beziehung kommen. Wir funktionieren als Paar und Team aber perfekt und das wissen wir auch. Wenn man mit seinem Partner sechs Wochen auf engstem Raum im Camper ohne Streit auskommt, ist das eine gute Grundlage. Wer sich dagegen jeden Tag zofft, sollte sich vielleicht lieber nicht mit dem Partner selbständig machen.

Was waren die größten Hürden, die Du in der Anfangsphase überwinden musstest?

Westermann: Ganz klar finanzielle und rechtliche Aspekte. Von heute auf Morgen fehlt einfach das regelmäßige Einkommen. Ein kleiner Puffer ist unumgänglich. Ein Tipp für alle Gründer: Es gibt von der Agentur für Arbeit den sogenannten Gründungszuschuss, der immerhin sechs Monate überbrückt. Sechs Monate sind aber eine verdammt kurze Zeit, um ein Business zum Laufen zu bringen.

Wie gehst Du mit dem Risiko und der Angst zu scheitern um, die ja bei jedem immer wieder auftaucht?

Westermann: Diese Frage haben wir uns ehrlich gesagt nie gestellt. Wir waren von Anfang an fest von unserem Business überzeugt und es läuft auch von Monat zu Monat besser. Alleine im Mai hatten wir 120.000 Leser auf dem Blog – damit gehören wir zu den größten Reiseblogs in Deutschland. Klar, vor gut einem Jahr waren die Zahlen noch viel geringer, aber der Trend zeigte auch da schon steil nach oben.

 

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Wie sieht Deine Monetarisierungsstrategie aus? Was sind Deine Haupt-Einnahmequellen?

Westermann: Wir haben diverse Einnahmequellen mit dem Blog. Unter anderem werden wir von Touristikunternehmen oder Ländern beauftragt, in bestimmte Regionen zu reisen und darüber auf unserem Blog zu berichten oder für die Auftraggeber Texte zu verfassen und Bilder zu schießen.

Zudem gebe ich Fotokurse in den Alpen. Meine Kurse sind inzwischen so beliebt, dass sie oft ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht sind. Dann vertreiben wir unter anderem E-Books über unseren Blog und haben natürlich auch Werbeeinnahmen.

Welches Fazit ziehst Du nach anderthalb Jahren als Entrepreneur?

Westermann: Wir hätten uns schon sehr viel früher selbständig machen sollen. Für mich ist es inzwischen unvorstellbar, von Montag bis Freitag im Büro zu sitzen und nach der Pfeife eines anderen zu tanzen. Dass unser Projekt extrem arbeitsintensiv sein wird, war uns von Anfang an klar. Wer gerne mal einen Abend auf der Couch netflixt, sollte sich das mit der Selbständigkeit zweimal überlegen.

Viele hält die Angst vor dem Scheitern davon ab, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Wie kann man diese Furcht überwinden?

Westermann: Ich denke, das sind meist finanzielle Zwänge. Deutschland ist nun einmal ein sehr teures Land. Wenn jemand 1500 Euro Miete oder ein Haus abbezahlt, ist die Angst, das alles nicht mehr zahlen zu können, enorm groß. Hinzu kommen Smartphone-Vertrag, Auto, Versicherungen und so weiter.

Das Geheimnis liegt nicht darin, besonders viel Geld zu verdienen, sondern besonders wenig Geld auszugeben. Dazu muss man sich zumindest in Deutschland sehr einschränken – oder man wandert in ein Land aus, in dem der Euro deutlich mehr Kaufkraft besitzt als hierzulande.

 

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Welchen wichtigen Rat gibst Du Menschen, die Ähnliches geplant haben? Was sollten sie unbedingt beachten?

Westermann: Wirf deine Ängste über Bord und pack es an. Wenn du an deine Träume glaubst, schmiede einen guten Plan. Wenn du einen plausiblen und gut durchdachten Plan hast, worauf wartest du dann noch? Ein kleines finanzielles Polster ist aber unumgänglich. Zumindest zwölf Monate solltest du überbrücken können.

Was sind die nächsten wichtigen Ziele auf deiner Agenda?

Westermann: Wir wollen im August – das ist erfahrungsgemäß unser bester Monat im Jahr – mindestens 150.000 Leser auf dem Blog begrüßen. Dann wollen wir unser Geschäftsmodell um Fotoreisen erweitern. Ende 2020 oder Anfang 2021 wollen wir die ersten Reisen anbieten. Da sind wir noch in Verhandlungen, aber es schaut gut aus. Wohin es geht, verrate ich noch nicht. Aber es wird spektakulär.

 

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Was ist Dein ganz persönlicher Sinn des Lebens?

Westermann: Die Welt zu einem besseren Ort machen. Jeder einzelne kann etwas dazu beitragen. Seien es kleine Spenden für Menschen oder Tiere in Not oder Projekte, für die man sich engagiert. Zusammen mit einigen anderen Bloggern haben wir etwa unlängst das Projekt WalkInTrashOut gestartet.

Dabei geht es darum, etwa in den Bergen nicht nur seinen eigenen Müll, sondern auch achtlos in die Natur geworfenen Abfall wieder mitzunehmen. Viele kleine Dinge vieler Menschen machen am Ende doch etwas aus.

Weitere Informationen unter: phototravellers.de
Bilder: Florian Westermann, phototravellers

 

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