Interview mit Kerstin Chavent: „Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist“

by Hofelich
Interview mit Kerstin Chavent: „Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist“

Viele Menschen fühlen sich unglücklich in ihrem Leben und sehen sich als Opfer der äußeren Umstände. Schuld daran sind immer die anderen: die Gesellschaft, die Eltern, der Partner, der Chef, die Kollegen oder die Kindheit. Wie der Weg aus der Opferrolle hin zu einem selbstbestimmten, verantwortungsbewussten Leben gelingt, beschreibt Kerstin Chavent in ihrem im Februar 2017 veröffentlichten Buch „Das Licht fließt dahin wo es dunkel ist: Zuversicht für eine neue Zeit“. Im Interview erklärt sie warum es so wichtig ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, welche Rolle Reflexion und Selbstwahrnehmung dabei spielen und wie wir unser wahres Glück finden können.

Frau Chavent, was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die weitverbreitete Haltung, sich als Opfer der äußeren Umstände zu sehen?

Chavent: Wo ein Opfer ist, ist auch ein Täter. Das kollektive Bewusstsein unserer Gesellschaft ist tief von dem Dreigespann Opfer, Täter und Retter geprägt. Das Opfer bin ich und die Täter sind die anderen. Sie haben angefangen. Sie irren sich, verhalten sich rücksichtslos und ungerecht und bringen mich in eine so missliche Lage, dass mir nur noch die Hoffnung auf einen Retter bleibt. Diese Einstellung bekommen wir mit in die Wiege gelegt.

Das Opferdasein macht uns den Alltag und das Zusammenleben schwer. Argwöhnisch achten wir darauf, dass uns der andere nicht auf die Füße tritt oder eine Arbeit wegnimmt, die wir sowieso nicht machen wollen. In jedem Fall ist er Schuld an meiner Misere. Einerseits leide ich  unter meiner vermeintlichen Machtlosigkeit. Andererseits habe ich mich an sie gewöhnt und recht gemütlich in ihr eingerichtet.

Es ist viel einfacher, die Schuld bei anderen zu suchen als die Verantwortung bei sich selbst. Denn hierfür müsste ich es mir gefallen lassen, mich selbst in Frage zu stellen und an meinen alten Überzeugungen und Gewohnheiten zu rütteln. Das kann unbequem werden. Also sage ich mir lieber, dass die Welt und die Menschen eben schlecht sind und das Schicksal es nicht gut mit mir meint. Dann habe ich wenigstens Recht und immer ein Gesprächsthema zur Hand.

Kerstin Chavent Raus aus der Opferrolle

Warum ist es so gefährlich, die Welt in Opfer, Täter und Retter einzuteilen und die Verantwortung für das eigene Leben auf andere zu schieben?

Chavent: Unsere Opferrolle zwingt uns in die Passivität. „Ich kann nichts tun“. Das Gefühl der Hilflosigkeit bereitet den Weg für die edelste Gestalt des infernalen Trios: den Retter. Für den kleinsten Funken Hoffnung rolle ich ihm den roten Teppich aus, egal welche Färbung sein Ansinnen hat. Die Täter werden bestraft und mir kommt endlich Gerechtigkeit zu. Das Problem ist, dass die Täter das genauso sehen, nur umgekehrt.

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Jede Art von Zerstörung nährt sich aus dem Glauben unseres beleidigten Egos, im Recht zu sein. Das Gute kämpft an meiner Seite gegen das Böse auf der anderen. Andersdenkendes, Anderslebendes, Andersfühlendes wird auf legitime Weise ausgemerzt. Jede von Menschen herbeigeführte Katastrophe, jede Verletzung unserer Rechte basiert auf dem Irrdenken, dass der andere (selber) Schuld ist.

Die Gewinner sind niemals die, die sich selbst für die Opfer und die anderen für die Täter halten, sondern diejenigen, die es verstehen, sich die Spaltung zwischen gut und böse, die sie oft selbst angezettelt haben, zunutze zu machen und ihre eigene Macht zu stärken.

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Viele Menschen leben in unerfüllten Partnerschaften, arbeiten in Jobs, die ihnen nicht entsprechen und umgeben sich mit Menschen, mit denen sie im Grunde nichts anfangen können. Anstatt etwas daran zu ändern, bleiben viele in diesen Situationen stecken, die sie unglücklich machen. Warum scheuen so viele vor Veränderungen zurück?

Chavent: Wir hängen in unseren Gewohnheiten und eingefahrenen Mustern fest. Nichts lässt uns mehr die Nackenhaare sträuben als die Aussicht, eventuell unsere ausgesessenen Sessel zu verlassen, auch wenn sie nicht mehr besonders viel hermachen. Nichts schreckt uns mehr als das Unbekannte. Den tyrannischen Chef, den langweiligen Job, den aggressiven Partner kann ich einschätzen, nicht aber das, was kommt, wenn ich ihnen den Rücken kehre.

Ich begebe mich in eine Gefahrenzone, in der ich mich nicht mehr auskenne. Das macht Angst. Es könnte ja noch schlimmer kommen. Dann bleibe ich lieber in meinem alten Sessel sitzen, da weiß ich schließlich, was ich habe. Wenn ich das lange genug tue, definiere ich mich schließlich über meine letztendlich selbstgewählte Machtlosigkeit. Sie gibt meinem Klagen Legitimität und meinem Leben Sinn.

Gerade in Ländern mit einem hohen Wohlstand haben es Veränderungen besonders schwer. Wir sind daran gewöhnt, dass uns vieles zusteht und hoffen, dass das so bleibt. Wir investieren viel Geld in alle möglichen Absicherungen und Kontrollen und lassen unsere Rechte immer weiter beschneiden. Im Vertrauen darauf, dass diejenigen, die uns mehr Sicherheit verkaufen, es auch gut mit uns meinen. Mehr Sicherheit ist immer gut.

Solange wir davon überzeugt sind, dass unser Wohlstand und unsere Lebenserwartung weiter steigen, lassen wir uns eine Menge Sachen andrehen, ohne sie weiter in Frage zu stellen. „Das ist eben so“. „Das war schon immer so“. „Das machen hier alle so“. Menschen sind eben auch Herdentiere.

Unglückliches Alltagsleben

Wie kann es gelingen, aus der Opferrolle auszubrechen und das Leben in glücklichere Bahnen zu lenken?

Chavent: In der vielzitierten Antrittsrede Nelson Mandelas heißt es, unsere tiefste Angst sei, dass wir unermesslich machtvoll sind. Denn Macht bedeutet Verantwortung. Und die schieben wir gerne wie den schwarzen Peter weiter. Die Verantwortung liegt in aller Regel beim Starken, dem potentiellen Täter und nicht beim Schwachen, dem potentiellen Opfer.

Das Opfer kann nichts dafür. Es hat nur Aufträge anderer erfüllt. Es hat nur still auf dem Sofa gesessen, bevor das Unglück über es hereinbrach. Was würde nun geschehen, wenn wir dem Opfer seinen Teil der Verantwortung zukommen ließen? Das Eisen, das wir damit anfassen, ist glühend und vielleicht begleitet von einem Aufschrei der Empörung: Dann sind also die Geschändeten selber Schuld?! All jene, die in ihrem Leben Leid erfahren haben?

Um es klar zu sagen: Verantwortung bedeutet nicht Schuld! Die Schuld hält uns im Opfer-Täter-Retter-Modus gefangen. Die Verantwortung befreit uns daraus. Schuld haftet an Vergangenem, Verantwortung bezieht sie sich auf die Gegenwart. An der Vergangenheit können wir nichts mehr ändern. Unsere Gegenwart jedoch können wir gestalten, indem wir unseren Standpunkt und unsere Haltung zu dem, was uns geschieht, wählen.

Ich entscheide für mich, ob ich mich in meiner Stärke oder in meiner Schwäche positioniere, meine Möglichkeiten ausschöpfe oder meine Ohnmacht pflege. Als ich an Krebs erkrankte, war es die Bereitschaft zum selbstverantwortlichen Umgang mit meiner Gesundheit, die mir den Weg aus der Krankheit heraus ermöglicht hat.

Ich stoße mit dieser Haltung auf viele Widerstände, vor allem bei jenen, die von der aus der Opferhaltung resultierenden Folgsamkeit profitieren. Doch nach meiner Erfahrung ist Verantwortungsbewusstsein die Voraussetzung für die Lösung jedes Problems. Was ich nicht in die Hand nehmen will, kann sich auch nicht ändern.

Auch hier gilt der Spruch „Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“. Wie wichtig ist es, sich im ersten Schritt mit sich selbst und seinen Stärken, aber auch ehrlich mit seinen Schwächen auseinanderzusetzen?

Kerstin Chavent Selbsterkenntnis

Chavent: Ich kann mir selbst nur dann näher kommen und mein Potential ausschöpfen, wenn ich es akzeptiere, mich auch mit meinen Schattenseiten auseinander zu setzen: mit dem Unbequemen, dem bisher Unausgesprochenen. Wenn ich mir nur die Rosinen aus meiner Persönlichkeit herauspicke, lerne ich mich nie wirklich kennen. Wir können uns und unsere Welt nur über die Gegensätzlichkeit erfahren. Ohne die Dunkelheit könnte ich das Licht nicht erkennen, ohne die Kälte nicht die Wärme und ohne das Unten wüsste ich nicht, wo das Oben ist.

Problematisch wird es, wenn wir das eine ohne das andere haben wollen. Viele Menschen fühlen sich unzufrieden und frustriert, weil sie ihr Leben damit verbringen, dem „Guten“ hinterherzulaufen und das „Schlechte“ von sich zu stoßen. Was jeweils „gut“ oder „schlecht“ ist, basiert auf sich ständig ändernden und subjektiv gebundenen Faktoren: Erziehung, Empfinden, momentanen gesellschaftlichen Übereinkünften, Situationen und vielem mehr. Kein Wert ist absolut. Eine Schwäche kann sich als Segen herausstellen und eine Stärke als Fluch.

Nichts kann grundsätzlich nur schlecht oder nur gut sein. In allem verbirgt sich beides. Zwei verschiedene Seiten ein und derselben Medaille. Wenn ich sie nicht ganz nehme, bekomme ich gar nichts. Wenn ich mich weigere, auf meine Schwächen zu schauen, erfahre ich auch meine Stärken nicht. Ich kann wohl in eine Rolle schlüpfen und so tun als ob. Doch ich werde mich nie innerlich wirklich stark und aufrecht fühlen, wenn ich nicht meine Schatten durchquere.

 

Viele Menschen verdrängen Ihre Schwächen und ihre dunkle Seite. Wie wichtig ist es, sich damit auseinanderzusetzen und sich so zu akzeptieren, wie man ist?

Kerstin Chavent Stärken und Schwächen

Chavent: Jemand, der sich selbst nicht annehmen kann, schadet sich und anderen. Wie könnten wir andere akzeptieren, wenn wir uns selbst nicht annehmen? Wir können ja immer nur das weitergeben, was wir auch in uns erfahren. Wenn in mir keine Liebe für mich ist, habe ich auch mit anderen nichts zu teilen. Um die innere Leere zu füllen, suchen wir die Liebe und Anerkennung, die wir alle zum Leben brauchen, im Außen.

Wir verhalten uns dann so, wie wir glauben, dass es dem anderen gefällt, um dann sozusagen als Belohnung das zu bekommen, wonach wir uns sehnen. Wir glauben, den anderen „alles zu geben“ und sind enttäuscht, wenn man es uns nicht mit gleicher Münze zurückzahlt. In Wirklichkeit jedoch handelt es sich um eine versteckte Art von Manipulation, mit der man versucht, einen für sich möglichst vorteilhaften Handel abzuschließen. Mit wirklicher Liebe und Zuneigung hat es nichts zu tun.

Wer authentische, respekt- und liebevolle Beziehungen zu anderen aufbauen möchte, kommt nicht umhin, in seine inneren Wüsten und Abgründe hineinzuschauen und zu versuchen, sich mit dem anzufreunden, was er da findet. Wir alle, ohne Ausnahme, tragen Ängste in uns, schwarze Löcher, ausgetrocknete Landschaften, schwindelerregende Tiefen, die wir am liebsten unaufgeräumt in der hintersten Kellerecke lassen würden. Wir alle tragen Wut in uns, Trauer, Ekel, Eifersucht, Neid, Kleinlichkeit, Aggressivität, Launen, Dickköpfigkeit.

Wir alle können beleidigt schmollen oder missgünstig auf das Glück eines anderen schielen, uns daneben benehmen, über die Stränge schlagen und nicht gut riechen. Wir sind Menschen. Problematisch wird es, wenn wir vor uns und anderen versuchen so zu tun, als würden wir immer nur duften. Vielleicht glauben wir, uns würden Zuneigung und Anerkennung entzogen, wenn wir nicht so perfekt wie möglich sind.

Mich hat der Irrglaube, mir Zuneigung und Anerkennung immer erst verdienen zu müssen, krank gemacht. Sich immer wieder verbiegen kann nicht nur zu Verspannungen im Körper, Schlafstörungen oder Depressionen führen, sondern auch zu schweren Krankheiten wie Krebs. Der kürzlich verstorbene kanadische Psychologe Guy Corneau sagte, dass Krankheit in dem Raum entsteht, der uns von uns selbst trennt. Ich füge hinzu, dass Krankheit in dem Zwischenraum zwischen dem Bild, das wir von uns geben wollen, und unserem authentischen Wesen entsteht.

Wir polieren an unserem Image herum, um möglichst appetitlich, interessant, intelligent, erfolgreich, selbstsicher zu wirken, eben so, wie wir glauben, dass unsere Umgebung es von uns erwartet. Oft sind wir so damit beschäftigt, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, dass dieses Bild uns vielleicht gar nicht entspricht. Es kommt uns gar nicht in den Sinn, dass da drinnen vielleicht noch jemand anderes wohnt, der darunter leidet, sich zu verbiegen und immer so zu tun als ob. Wenn wir unser authentisches Wesen lange genug ignorieren, werden wird krank – und erhalten damit die Chance, etwas an unserer Einstellung zu uns zu ändern.

Der Weg zu sich selbst ist lang, unbequem und manchmal leidvoll. Viele scheuen davor zurück und ziehen es vor, im Status quo zu verharren, aus Angst vor dem Scheitern. Was passiert, wenn wir dieses Risiko nicht eingehen?  

Chavent: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Gibt es einen Sinn? Sicher gibt es keine Notwendigkeit, sich mit diesen Fragen so alt wie die Menschheit zu beschäftigen. Wir können durchaus auch überleben, wenn wir einfach nur dem folgen, was andere uns diktieren oder was alle machen. Wir existieren auch, wenn sich unser Leben auf essen, schlafen, verdauen, konsumieren und ablenken reduziert und wir uns dem Glauben hingeben, es ginge eben nicht anders. Und dieses ganze Psycho-Tralala sei sowieso nur was für Leute, die nicht genug zu tun haben und sich den ganzen Tag um den eigenen Bauchnabel drehen.

Doch der Preis dafür scheint mir so hoch, dass ich für mich beschlossen habe, das Risiko einzugehen. Und wer sagt denn, dass dieser Weg leidvoll und anstrengend sein muss? Schmerz entsteht, wenn etwas angespannt ist, blockiert, gestaut, verkrustet, unterdrückt, zerbrochen, durchtrennt. Erleichterung macht sich breit, wenn sich die Lage entspannt, wenn die Dinge sich zusammenfügen und die Energie wieder in Fluss kommt. Das gibt mir einen Anhaltspunkt.

Wenn etwas schmerzt, in welcher Hinsicht auch immer, weiß ich, was ich tun kann: Ich finde Linderung im Zusammenbringen von Auseinandergerissenem, im Pflegen von Verletztem, im Loslassen von überflüssig Gewordenem – und nicht im Zähne-Zusammenbeißen und Gegenankämpfen. Der Weg zu sich selbst und in sein inneres Universum ist ganz bestimmt ein Abenteuer, aber es kann auch Spaß machen und erleichternd sein, ihn zu gehen.

Nichts erscheint bedrohlicher, als das Unbekannte. Wieso ist es so wichtig, den Schritt ins Ungewisse zu wagen?

Kerstin Chavent den Schritt ins Ungewisse zu wagen

Chavent: Leben ist Bewegung, Entwicklung, Voranstreben, Entfalten. Stillstand bedeutet Tod. Wenn wir  uns in gesicherten Bunkern abschotten, mit Versicherungspolicen eindecken und mit aller Macht das Alte halten wollen, überleben wir vielleicht noch eine Weile als eine Art blutleere Zombies, aber unsere Träume von einem erfüllten und glücklichen Leben können wir damit begraben.

Leben birgt von der ersten Sekunde an unvorhersehbare Risiken und endet ganz sicher früher oder später mit dem Tod. Das ist die absolut einzige Gewissheit, die wir haben. Je eher wir uns mit dem Gedanken anfreunden, desto besser. Und wenn wir das getan haben, können wir endlich damit aufhören, uns ans Überleben zu klammern und anfangen zu leben.

Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten auch nur das kleinste Detail im Leben kontrollieren. Ein einziges Beben, ein einziger Sturm kann alles zunichte machen. Unser Besitz, unser Bankkonto, unser Job, unser guter Ruf – absolut alles ist vergänglich. Wir tun also gut daran, uns nicht an diese Dinge zu klammern und unsere Identität darauf aufzubauen. Doch was dann? Was bleibt uns? Woran können wir uns festhalten?

Finden wir uns damit ab, dass wir auf wackligem Grund stehen, dass alles schwebt, alles vibriert und nichts bleibt. Die Veränderung ist das einzig „Stabile“ in unserem Leben. Inspirieren wir uns also an der Natur und machen es wie sie. Geben wir uns dem Rhythmus des ständigen Werdens und Vergehens hin.

Steigen wir in den Fluss, von dem wir nicht wissen, wohin er uns führt, breiten die Arme aus und lassen uns vertrauensvoll vom Wasser tragen. Früher oder später kommt das auf uns alle zu. Je eher wir uns der Bewegung hingeben und den Schritt ins große Unbekannte wagen, desto leichter wird unser Leben.

Eine positive Grundhaltung ist sicherlich förderlich für ein glückliches Leben. Doch wo stößt positives Denken an seine Grenzen?

Positives Denken

Chavent: Positives Denken ist seit einiger Zeit in Mode. Wir haben zumindest theoretisch begriffen, dass es von unserer Sichtweise abhängt, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Aber was mache ich, wenn es mir einfach nicht gelingen will, die Dinge positiv zu sehen?

Ich habe mir schon allerlei Bücher zu dem Thema gekauft, vielleicht auch an ein paar Veranstaltungen teilgenommen, in denen ich mich umringt von begeisterten Menschen und ermutigt von einem charismatischen Redner für einen Moment wirklich zuversichtlicher und kraftvoller fühle. Aber kaum ist Montag, ist die schöne Wirkung dahin und ich bin eigentlich noch frustrierter als vorher. Weil ich nicht nur mit meinem Pessimismus zu kämpfen habe, sondern auch noch mit dem Gefühl, auf der ganzen Linie zu versagen.

Ein paar positive Gedanken reichen nicht aus, damit es einem besser geht. Das Universum ist kein Supermarkt, in dem man nur seine Bestellungen aufzugeben braucht, um zu bekommen, was man sich wünscht. Doch als durchtrainierte Kopfmenschen fällt es uns nicht leicht, die Grenzen unseres Denkens zu akzeptieren. Solange mein Wissen im Kopf stecken bleibt, passiert gar nichts.

Mein Leben wird nicht leichter, mein Konto nicht voller und meine große Liebe lässt weiter auf sich warten. Nur wenn mein ganzes Wesen in die Erfahrung mit einbezogen wird, kann sich etwas ändern. Nicht nur der Kopf ist von diesem Prozess betroffen, sondern sozusagen der ganze Körper.

Gelassenheit, Überfluss, Leichtigkeit, Erfüllung, Glück, Liebe – ich erfahre sie nur, wenn ich etwas loslasse: meine Überzeugung, dafür etwas Bestimmtes tun zu müssen. In Wirklichkeit sind sie nämlich schon da. Ich sehe sie nur nicht, weil ich so sehr mit meiner Suche beschäftigt bin. Wenn ich all mein Streben auf das ausrichte, was mir fehlt, ist es nicht erstaunlich, dass ich auch nur den Mangel erlebe. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit.

Gehe ich hingegen davon aus, dass alles, was ich brauche, schon da ist, direkt vor meiner Nase, muss ich nur die Hand danach ausstrecken und mich in gewisser Weise daran andocken. Um das zu leben, reichen ein paar Bücher und Seminare nicht aus. Es ist ein lebenslanges tägliches Training. Wenn man einmal Geschmack daran gefunden hat, ist es so wie Fliegen.

Welche Rolle spielt dabei, sich mit vergangenen Konflikten in der Familie, mit den Eltern auseinanderzusetzen? Was bringt es, die Wunden der Vergangenheit wieder aufzureißen, statt sie ruhen zu lassen?

Konflikte in der Familie

Chavent: Wir leben in einem komplexen Netzwerk, in dem alles miteinander verbunden ist. Nichts existiert getrennt vom Ganzen. Was im Einzelnen gilt, trifft auch für das Gesamte zu. Alles vibriert auf seine Weise und entsprechend der Informationen, die zirkulieren. Wenn ein Teil des Gefüges sich verändert, hat dies Auswirkungen auf das Gesamte. Es ist das Prinzip des Flügelschlags des Schmetterlings, der auf der anderen Seite des Planeten einen Tsunami auslösen kann. Dies gilt auch in Bezug auf das Gefüge unserer Familie.

Kein Clan ist frei von Ungesagtem und Ungeklärtem. In jeder Familie gibt es Ereignisse, an die man sich nicht gerne erinnert. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dass sie sich in Luft auflösen, wenn man nur genug Gras über die Sache wachsen lässt. Es gilt heute als erwiesen, dass wir nicht nur unsere Gene, sondern auch unsere Traumata an die folgenden Generationen weitergeben.

Jung sagte dass das, was eine Generation nicht löst, der anderen als Schicksal wiederfährt. Unfälle, Krankheiten, Verbrechen, Selbstmorde – solange Verdrängtes nicht ans Licht gebracht wird, können sich dieselben Schicksale über viele Generationen immer wieder wiederholen.

Erst im Licht des Bewusstseins können die Wunden wirklich heilen. Familienaufstellungen können hierbei von großer Hilfe sein. In ihnen kann Ungesagtes Ausdruck finden und Ausgeschlossenes wieder in das Gesamtgefüge integriert werden. Egal, was passiert ist, egal was jemand getan hat, er gehört dazu. Alle haben ihren Platz. Nur wenn er allen Mitgliedern gewährt wird, kann das Gesamte zur Ruhe kommen.

Sie sagen: „Wir erkennen uns selbst nicht ohne die anderen. Über die Begegnung mit anderen Menschen erfahren wir, wer wir sind. Sie reflektieren uns mit unseren hellen und dunklen Seiten“. Was bedeutet diese Einsicht, sich im Spiegel der anderen selbst zu erkennen?

Spiegelbild

Chavent: Eine alte Repräsentation der Hölle stellt zwei Menschen dar, die Rücken an Rücken gebunden sind und sich nicht sehen können. Das Abschotten von anderen Menschen wirkt dem gegenseitigen Austausch entgegen – und so auch dem Leben. Ohne die anderen können wir nicht sein. Ohne Kontakt sterben wir. Das nehme ich gerne an, wenn es um mir angenehme Zeitgenossen geht.

Doch was mache ich mit dem Nachbarn, den ich am liebsten in die Wüste schicken würde? Immer nervt er mit seinem Verhalten und seinem Gerede und berührt empfindliche Saiten in mir. Er bringt in mir sozusagen etwas zum Klingen, was mir unangenehm ist. Wenn ich etwas genauer hinschaue sehe ich, dass nicht er dieses Unangenehme in mich hineingetan hat. Es war vorher schon da. Andere haben mich früher schon mit einem ähnlichen Verhalten auf die Palme gebracht. Wenn ich ehrlich bin, ist also eigentlich gar nicht der Nachbar das Problem. Ich bin es selbst.

Sich im Spiegel der anderen erkennen bedeutet, sich die Möglichkeit zu geben, sein inneres Instrument zu stimmen. Andere machen mich darauf aufmerksam, wo etwas bei mir klemmt, zu stramm oder zu schlaff gespannt ist oder schief klingt. Ohne mein Gegenüber, ohne die Reibung, würde ich nicht spüren, wo es in mir schrammt oder kneift.

Wenn ich mich also bei einer Begegnung abgestoßen fühle, genervt, wütend oder traurig, dann weiß ich, dass ich mit dem, was mir der andere gerade spiegelt, offensichtlich ein Problem habe. Nehmen wir an, er signalisiert mir, dass er mich für ein dummes wertloses Ding hält. Wenn ich mich nun ganz klein fühle und schmollend zurückziehe oder anfange, mich zu rechtfertigen oder ihm vorwerfe, er sei noch viel dümmer und wertloser, dann habe ich ganz offensichtlich ein angeschlagenes Selbstwertgefühl.

Denn wäre ich wirklich mit mir im Reinen, würde es mich gar nicht berühren, was der andere da behauptet. Ich kenne meine Qualitäten und weiß sie zu schätzen und bin mir meiner Schwächen bewusst und kann dazu stehen.

Wie können wir aus dem Teufelskreis der Reaktionsketten von gegenseitigen Schuldzuweisungen zu befreien?

 Chavent: Eine Überlegung könnte sein, sein eigenes Urteilsvermögen nicht für unfehlbar zu halten. Jeder sieht die Welt durch die Brille seiner Glaubenssätze verklärt, auch wenn wir uns noch so sehr einbilden, objektiv zu sein und die Wahrheit für uns gepachtet zu haben.

Das, was ich um mich herum und vom anderen wahrnehme, ist ganz bestimmt nicht die Realität, sondern allein meine Sichtweise auf die Dinge. Das, was ich geprägt von meinen Erfahrungen, meiner Gefühlswelt und meiner aktuellen Situation in sie hinein interpretiere.

Ich kann versuchen mir klarzumachen, dass der andere ein Mensch mit Gefühlen, Ängsten und Zweifeln ist, auch wenn er gerade ganz anders tut. Genau wie ich. Wie ich möchte er vor allem eins: geliebt und anerkannt werden. Anstatt mit gnadenlosem Adlerblick seine Fehler und Schwächen aufzuspüren, könnte ich mich für die Einsicht öffnen, dass es nicht die stolzgeschwellte Brust ist, die Menschen näher bringt und verbindet, sondern unsere Fehlbarkeit. Wir können alle ungeschickt, unaufmerksam, schlecht gelaunt, egoistisch, ungeduldig und ungerecht sein.

Ich kann versuchen, mein Ego einmal auf den Hintersitz zu verfrachten und einen Moment nicht auf sein Geplapper von „du hast aber“ und „ich wollte doch nur“ hören, sondern mich fragen, worum es mir eigentlich wirklich geht. Verstricke ich mich in meinen Reaktionsketten nicht im Grunde nur, weil ich mir über meine eigene Position nicht wirklich im Klaren bin oder mich nicht traue, für sie einzustehen? Was für ein Bedürfnis, was für ein Wunsch steht hinter meinen Anschuldigungen?

Wenn ich das klar formulieren kann, brauche ich meine Zeit nicht mehr damit zu verplempern, den anderen zu ändern. Ich nehme dann die Fäden des Geflechts meiner Beziehungen in die Hand mit dem Bewusstsein, nur an meinem Ende etwas ausrichten zu können.

Welche Rolle spielt bei der Selbsterkenntnis die Auseinandersetzung mit dem „inneren Kind“?

Kerstin Chavent Das innere Kind

Chavent: In uns allen wohnt noch das Kind, das wir einmal waren, und das die Saiten unserer Gefühlswelt fest in seinen Händen hält. Dieses Kind wurde vielleicht  in eine Welt hinein geboren, in der es immer wieder erfahren hat, dass es nicht gut genug so ist, wie es ist. Es hat sich angestrengt, Mutter und Vater und anderen wichtigen Bezugspersonen zu gefallen, denn es war ja überlebenswichtig, vom Clan aufgenommen und beschützt zu werden.

Vielleicht hat sich das Kind immer wieder dafür verbogen. Vielleicht hat es zu hören bekommen, dass es nicht so albern, aufsässig, wütend, langsam, sein soll, dass es nicht heulen soll, sich beeilen, anstrengen, damit einmal etwas Anständiges aus ihm wird.

Wenige von uns haben erfahren, dass sie goldrichtig sind, so wie sie sind. Wenige von uns wurden mit all ihren Gefühlen wahr- und angenommen und wenige wurden nicht in dem Sinne gemaßregelt, der den Ansprüchen, Bedürfnissen und Wünschen der erziehenden Personen entsprach.

Wir sind erwachsen geworden und haben das Kind vergessen. Doch es wirkt in uns, ohne dass es uns bewusst ist. Wir merken nicht, dass wir in unseren Beziehungen immer wieder die Anerkennung des Vaters und die Liebe der Mutter suchen und wundern uns, dass wir nie so richtig satt werden, von einer unerfüllten Partnerschaft in die andere schlittern und uns immer wieder an denselben Problemen die Zähne ausbeißen.

Erst wenn wir uns über die Existenz des Kindes in uns bewusst werden, wenn wir uns mit ihm unterhalten und es annehmen mit seinen Bedürfnissen und Wünschen, werden wir den Frieden und die Harmonie, die wir so verzweifelt im Außen suchen, in uns finden. Das Kind wird uns und unser Umwelt mit seinen Launen nicht mehr tyrannisieren, wenn wir ihm einfach zuhören und ihm das sagen, was uns unsere Eltern damals vielleicht nicht oder zu wenig gesagt haben:

„Du darfst dich ausdrücken und du bist in Sicherheit. Ganz egal, was passiert, du hast deinen Platz in dieser Welt. Ich nehme und liebe dich genau so, wie du bist.“ Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, wenn wir es als Erwachsene schaffen, dem Kind in uns die Arme zu öffnen.

Die Suche nach dem Glück bestimmt unser Leben. Viele Menschen suchen Ihr Glück in materiellen Dingen, Geld, Macht, Vergnügen und Ablenkung. Warum ist das ein Irrweg? Wie können wir wahres Glück erfahren?

Kerstin Chavent Glück finden

Chavent: Glück schließt nichts aus und alles ein. Glück ist eine in jeder Hinsicht verbindende Kraft. Erst wenn ich lerne, alles zu nehmen, so wie es kommt, bekomme ich Zugang zu einem wirklichen und tiefen Glücksgefühl. Ich empfinde Glück in der Verbundenheit. Mit anderen, mit meiner Umgebung, mit mir selbst, mit dem Leben. Es hat nichts mit den äußeren Umständen zu tun. Es ist das kurze Aufflammen eines Funkens, der mich als Teil von etwas Großem empfinden lässt.

Die Suche nach materiellem Reichtum und Vergnügen wirken in die entgegengesetzte Richtung. Vielleicht geben sie mir einen Moment lang einen gewissen Kick, machen mich stolz oder versüßen mir etwas Unangenehmes. Im Grunde aber gaukeln sie mir nur vor, dass ich mein Glück im Außen finden kann und lenken mich davon ab, es dort zu suchen, wo ich es finden kann: Im Innen.

Glück findet jetzt statt, in diesem Augenblick. Vergangenes Glück kann mich träumerisch, melancholisch, verzweifelt, verbittert machen, zukünftiges Glück unruhig und unersättlich. Erst das Eintauchen in den Augenblick befreit mich von dem Gefühl des Mangels. Ich bin hier, am Leben. Das ist ja schon eine ganze Menge. Ich atme und kann mit meinen Sinnen mich und meine Umgebung wahrnehmen. Vielleicht trinke ich gerade einen guten Kaffee oder Tee, höre einen Vogel zwitschern oder den Wind um das Haus rauschen.

Natürlich: es sind die kleinen Dinge. Wie könnte ich mir das kosmische Glücksgefühl der Vereinigung mit meinem zukünftigen Traumpartner erhoffen, wenn ich nicht für die Schönheit des Blattes vor mir offen bin. Wenn meine Sinne ganz eingetrocknet und verschrumpelt sind, kann ich lange darauf warten, Glück zu empfinden. Ich nehme ja gar nicht wahr, wie es da gerade vor mir steht und mir zuwinkt. Also zuckt es irgendwann mit den Schultern und zieht traurig von dannen.

 

Auch wer mit sich weitgehend im Gleichgewicht ist, kann plötzlich von schweren und unvorhergesehenen Schicksalsschlägen aus der Bahn geworfen werden, die er selbst nicht zu verantworten hat. Wie sollte man damit umgehen, um nicht zu verzweifeln?

Interview mit Kerstin Chavent: „Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist“

Chavent: Evolution braucht Reibungen. Unsere Entwicklung würde zum Stillstand kommen ohne Hindernisse und Konflikte. Natürlich kann ich mich fragen, wozu ich mich überhaupt entwickeln soll und mich dazu entscheiden, im Alten verhaftet zu bleiben. Damit riskiere ich aber nicht nur auseinanderzubrechen, wenn mir etwas Unvorhergesehenes passiert, sondern ich verspiele außerdem die Chance, zu wachsen, mich weiter zu entfalten, zu entwickeln.

Wenn der Mensch mit seiner Existenz eine Aufgabe mit auf den Weg bekommen hat, dann sehe ich sie nicht darin, irgendwelche Reichtümer um sich anzuhäufen oder die Jahre, die er an Lebenszeit gewonnen hat, vorm Fernseher zu verbringen, sondern in der Entwicklung seines Bewusstseins. Nur darum geht es und allein das ist wirklich wichtig. Mit dieser Einstellung erfahre ich mein Schicksal nicht mehr als Strafe oder als fiesen Zufall, sondern als Möglichkeit, mein Bewusstsein klarer und größer werden zu lassen.

Was auch immer mir widerfährt, es ist nicht mein Feind, sondern ein Gegenüber, an dem ich mich abreiben kann. Wie ein edler Stein, an dem  Unebenes und Verschmutztes wegpoliert wird und der damit durchlässiger für das Licht wird. Ich kann aufstehen und mich in Bewegung setzen und meine kleinen und großen Schicksalsschläge dazu nutzen, an meinem Bewusstsein zu arbeiten und in mir mehr Frieden und Klarheit zu schaffen.

 

Sie selbst haben einen harten Schicksalsschlag erlitten, als Sie 2012 die Diagnose Brustkrebs erhielten. Wie sind Sie damit umgegangen und wie hat die Auseinandersetzung mit der Krankheit ihre Lebenseinstellung verändert?

Chavent: Ich bekam die Diagnose eine Woche vor meiner Hochzeit. Schrecken und Schönes lagen damit so nah beisammen, dass der Ton angegeben war: Das Zusammenführen der Gegensätze. Der Krebs hat mir vieles offenbart. Er hat mir geholfen, meine alten Denk- und Funktionsmuster aufzubrechen und die Dinge in neue Zusammenhänge zu integrieren.

Wir können unsere Probleme, in welcher Form auch immer sie uns erscheinen, nicht lösen, wenn wir sie ignorieren, vor ihnen weglaufen oder gegen sie in den Krieg ziehen. Für mich wurde klar, dass das Problem in der Trennung und im Ausschließen liegt. Die Lösung ergibt sich aus der Vereinigung und dem Integrieren. In diesem Gesundungsprozess sind wir voll und ganz gefragt.

Nach meiner Erfahrung kann dauerhafte Heilung nur dann eintreten, wenn wir Frieden schließen mit unserem Körper und mit unserem Wesen. Ich habe den Krebs nicht als meinen Feind erfahren, als das Monster, als das er vielerorts gebrandmarkt wird, sondern als den Versuch meines Körpers, mir etwas mitzuteilen.

Er hat mich auf Dinge aufmerksam gemacht, die bei mir nicht glatt liefen und ins Ungleichgewicht geraten waren. Er zeigte mir, wo ich unbewusst litt und uneins mit mir selbst war. Auch wenn die Krankheit tödlich enden kann, bin ich meinem Körper dafür dankbar, auf seine Weise für mein Gesamtwohl zu sorgen.

Wenn der Krebs für mich auf diese Weise Sinn bekommen hat, so schwebt das Damoklesschwert der Rezidive weiterhin über mir. Über diese Erfahrungen bin ich zum Schreiben gekommen: „Krankheit heilt – vom kreativen Denken und dem Dialog mit sich selbst“ (Omega 2014) und „Traverser le miroir – de la peur du cancer à la confiance en la vie“ (Den Spiegel durchqueren – von der Angst vorm Krebs zum Vertrauen in das Leben (L’Harmattan 2016).

Kerstin Chavent raus aus der Opferrolle

Was sind in Kürze ihre wichtigsten Ratschläge auf dem Weg raus aus der Opferrolle hin zu einem glücklichen Leben?

Chavent:

  • Annehmen, was kommt, und die Dinge aus dem Dunklen, Verborgenen heraus transportieren, damit sie sich im Licht des Bewusstseins schließlich von ganz alleine verwandeln können. Dieser Prozess betrifft uns in unserer Gesamtheit und findet nicht nur im Kopf statt. Erst die Erfahrung und das Durchleben  bringen tiefgreifende Veränderungsprozesse in Gang. Dabei auf die Intelligenz des Körpers vertrauen. Er zeigt uns, wo es für uns lang gehen kann, wenn wir auf ihn hören.Auf Entdeckungsreise in seine Innenwelt aufbrechen und zum Beobachter seiner Gefühlswelt werden.
  • Aufhören, dem Glück hinterher zu laufen, sondern stehenbleiben und es wahrnehmen in der Verbindung mit anderen, der Natur, sich selbst.
  • Sich nicht als Rädchen im Getriebe, sondern als flimmernden Sternenstaub empfinden, als Note eines universalen Orchesters, deren wichtigster Auftrag es ist, die Harmonie des Gesamten zu unterstützen und dessen Entwicklung voranzubringen.
  • Seine Talente in den Dienst der Gemeinschaft stellen und aktiv seine Partie des Spiels mitgestalten. Dankbarkeit, daran teilnehmen zu dürfen.

Frau Chavent, was ist für Sie persönlich der Sinn des Lebens?

Chavent: Ich weiß nicht, ob das Leben einen Sinn hat. Doch ich habe erfahren, dass ich meinem Leben und den Dingen, denen ich begegne, Sinn geben kann. Für mich liegt er im Wachsen, im verantwortungsvollen Sich-Entwickeln und Sich-Erheben.

Interview mit Kerstin Chavent: „Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist“

Welche Projekte stehen demnächst auf Ihrer Agenda?

Chavent: Im Moment schreibe ich unter anderem auf Französisch an kurzen Erzählungen und Fabeln. Außerdem begleite ich meinen Mann, den Schmuckdesigner und Skulpteur Claude Chavent, bei seiner Arbeit und engagiere ich mich in diversen Projekten und Vereinen für und mit Menschen, die sich für ein harmonischeres und authentischeres Leben auf den Weg machen. Meine Aktivitäten und Gedanken zu aktuellen Themen dokumentiere ich auf meinem französischen Blog „La parole libérée“  und auf meinem deutschen Blog „Bewusst:Sein im Wandel“. Ich wünsche mir für die Zukunft, die Brücke zwischen meiner Wahlheimat Frankreich und meinem Herkunftsland Deutschland weiter auszubauen und an grenzübergreifenden Projekten mitzuwirken.

Das Interview führte Markus Hofelich.

Bilder: Unsplash / Piaxabay / Kerstin Chavent / Europaverlag

 

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