Interview mit Sylvester Walch: „Spiritualität und Psychologie“

by Hofelich
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Wie können wir Zufriedenheit und Glück im Leben erlangen? Dieser Frage geht das im September 2016 erschienene Buch „Die ganze Fülle deines Lebens: Ein spiritueller Begleiter zu den Kräften der Seele“ von Dr. Sylvester Walch auf den Grund. Der Psychotherapeut und Hochschuldozent verbindet seit mehr als 25 Jahren in seiner Arbeit Psychotherapie, transpersonale Psychologie und Spiritualität. Seiner Meinung nach erfordern inneres Wachstum und wirkliche Veränderung den Zugang zu tieferen Schichten der Seele. Im Interview erklärt Sylvester Walch, wie wir emotionale Blockaden lösen und Zugang zu unseren innersten Ressourcen finden können und spricht über die Verbindung von Psychotherapie und Spiritualität, Meditation und holotropes Atmen.

Herr Walch, Sie sagen, die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich früher oder später für jeden, gerade wenn wir Leid erfahren. Wie kann man Antworten auf diese fundamentale Frage finden?

Walch: Wir können nur glücklich und zufrieden sein, wenn wir auch Sinn im Leben finden. In Krisen werden häufig Fragen wie etwa „warum passiert das gerade mir“ oder „wozu muss ich das erleben“ gestellt. So gesehen sind Leiderfahrungen manchmal wie Eingangstüren zu einem tieferen Verständnis von Lebensprozessen. Krisen ereignen sich nicht zufällig, sondern sie möchten mir etwas über mich und mein Leben mitteilen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich auch in der Midlife Crisis, wenn uns plötzlich klar wird, dass unsere bisherigen Auffassungen vom Leben in eine Sackgasse geraten. Es genügt nicht mehr, sich nur an dem zu orientieren, was ich bin oder was ich besitze, sondern es wird klar, dass andere Werte wie Mitmenschlichkeit, Mitgefühl oder Achtsamkeit an Bedeutung gewinnen.

Grundsätzlich ist aber die Sinnsuche nicht an bestimmte Lebensphasen gebunden, sondern begleitet den Menschen über sein ganzes Leben hinweg. Antworten können wir finden, wenn wir unseren Blick nach innen wenden und beginnen, uns mit uns selbst und wie wir unser Leben gestalten wollen, auseinanderzusetzen. Wenn wir dem Sinn des Lebens auf die Spur kommen wollen, ist es erforderlich, sich nach innen zu wenden, denn die Weisheit und der Sinn des Lebens sind nur in unserem Inneren zu finden. Die Praxis der Meditation hilft uns dabei, der inneren Weisheit Raum zu geben. Wenn wir unseren Geist beruhigen und still werden, werden wir leichter erkennen können, wer wir wirklich sind und wie wir ein sinnerfülltes Leben führen können.

 

Wie wirken sich Schicksalsschläge und Konflikte auf unser Selbst aus?

Walch: Wenn wir Schicksalsschläge erleiden oder konflikthafte Zustände erleben, werden wir zunächst erschüttert sein. Dabei ist es wichtig, aufkommende Gefühle wie Ohnmacht, Wut, Trauer oder Schmerz nicht abzuwehren, sondern zuzulassen und dazu „Ja“ zu sagen. Wenn dann die Intensität der Gefühle wieder etwas nachlässt und sich unser Inneres beruhigt, ist es wichtig, einen Schritt zurücktreten und nach innen zu hören, was mir dieser Schicksalsschlag oder die Konflikte zu sagen haben und was ich im Leben zu verändern habe.

Das ist gar nicht so einfach, denn das alte Selbst wehrt sich heftig gegen Erneuerung und Veränderung. Manchmal möchte es uns aber auch davor bewahren, dass uns das Schreckliche von früher nochmals widerfährt. Wir müssen erkennen, dass sich das falsche Selbst so verhält, als wäre die Welt von gestern noch aktuell. So gesehen, sind Krisen wie helfende Freunde oder Wegweiser, weil ich durch sie besser erkennen kann, was wirklich wichtig im Leben ist. Solche Situationen haben ein hohes innovatives Potenzial, wenn wir uns damit auseinandersetzen, denn sie helfen uns, Oberflächlichkeiten abzubauen und neue Prioritäten zu setzen.

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In diesem Prozess der inneren Auseinandersetzung sind folgende Schritte wichtig: Zunächst die inneren Gefühle von Ärger, Ohnmacht oder Verzweiflung zulassen und sich so anzunehmen, wie man sich fühlt. Wenn die Intensität der Gefühle wieder nachlässt, innehalten, einen Schritt zurücktreten und nach innen hören, was mir das Leid oder die Krise sagen möchte. Dann werde ich mehr und mehr herausfinden, weshalb ich gerade das oder jenes erlebe. Die Erfahrungen des Lebens werden so zu helfenden Freunden und Wegweisern, weil ich durch sie besser erkennen kann, was wirklich wichtig im Leben ist und welche nächsten Schritte zu gehen sind. Dabei dürfen wir uns nicht von Ängsten, Schamgefühlen oder Zweifeln irritieren lassen. Sie sind ein Indiz dafür, dass wir zu neuen Ufern aufbrechen. Entlang der Angst geschieht Entwicklung.

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Sie plädieren seit Jahren für eine Verbindung von Psychotherapie und Spiritualität. Wie ergänzen sich die beiden Bereiche und welcher Vorteil liegt in dieser Kombination?

Walch: Diese beiden Bereiche entspringen einer Urmotivation des Menschen, zu wachsen, heil zu werden und sich seiner selbst bewusst zu werden. Die Psychotherapie verhilft uns dazu, seelische Konflikte aufzulösen sowie authentischer, selbstbewusster und liebensfähiger zu werden. Durch schädigende Einflüsse wie Traumata, Übergriffe, Defizite von Liebe und Geborgenheit sowie chronische Konflikte in der Familie, haben sich unnatürliche und destruktive Selbstwahrnehmungen aufgebaut, die es aufzulösen gilt. Deshalb geht es in psychotherapeutischen Prozessen im Wesentlichen darum, zu folgenden natürlichen Einstellungen sich selbst gegenüber zurückzufinden: „Ja, ich bin willkommen.“ „Ja, ich werde geliebt.“ „Ja, ich werde wertgeschätzt.“ „Ja, ich werde gebraucht.“

Über den spirituellen Weg und regelmäßige Meditationsübungen finden wir heraus, wer wir wirklich sind und dass wir in etwas Größerem eingebettet sind. Wenn wir uns als Teil des Ganzen erleben und uns dort verorten lernen, ist das eine enorme Ressource, die uns Kraft gibt. Gleichzeitig lernen wir loszulassen, mitfühlender und achtsamer mit uns selbst und anderen zu werden. Beide Perspektiven ergänzen sich in wunderbarer Weise, denn wenn die Psychotherapie die Türe zur Spiritualität öffnet, wirkt sie nachhaltiger und tiefer. Und wenn der spirituelle Weg die Prinzipien der Psychotherapie mit einbezieht, wird er wahrhaftiger und ist weniger anfällig für Tabus.

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Was zeichnet die transpersonale Psychologie aus?

Walch: Erlauben Sie mir, stichwortartig einige wichtige Punkte zusammenzufassen, auch wenn es viel mehr dazu zu sagen gäbe:

  • 1. Sie bringt alles Wissen, neue Psychologie und moderne Bewusstseinsforschung zusammen.
  • 2. Sie hat dazu beigetragen, den Wert veränderter Bewusstseinszustände für Heilung und Wachstum zu erkennen.
  • 3. Sie befasst sich mit den großen Themen des Seins, denen die akademische Psychologie gewöhnlich ausweicht, um nicht als unwissenschaftlich zu gelten.
  • 4. Sie sieht im klassischen esoterischen Prinzip des „Stirb und Werde“ eine wichtige Botschaft.
  • 5. Sie hat uns gelehrt, dass die Weisheit in unserem Inneren zu finden ist.
  • 6. Sie sieht den Menschen eingebettet und eingewoben in etwas Größerem. Wir sind also mehr als nur Persönlichkeit, Lebensgeschichte oder ein Ensemble von Rollen.
  • 7. Das Selbst ist für sie nicht nur auf die Persönlichkeit bezogen, sondern mit dem Seinsganzen verbunden.
  • 8. Die Vertreter der transpersonalen Psychologie sehen im menschlichen Innenraum eine verborgene Intelligenz am Werk, inspirierend, heilend und die Entwicklung unseres Lebens steuernd. Sie tritt in Verbindung zum Umfeld als ein Prozess umgreifender Selbstorganisation in Erscheinung. Für David Steindl-Rast (vgl. 2010) ist es jener unerschöpfliche Wesensgrund, der in jedem von uns und in allem existiert.

Viele Menschen stehen der Spiritualität skeptisch gegenüber, sie lehnen dogmatische, ideologische Einschränkungen und eine Weltfremdheit ab. Wie sehen Sie diese Aspekte?

Walch: Das kann ich sehr gut nachvollziehen, denn viele meiner Seminarteilnehmer sind auch kritisch gegenüber Dogmen, Abhängigkeit und Weltfremdheit. Aufgeklärte oder authentische Spiritualität fördert eben gerade die Freiheit von diesen Bedingtheiten. Die wirkliche Autorität liegt im Inneren, also dem, was der Suchende in sich selbst findet, erfährt und als stimmig erlebt, nicht in äußeren Regeln oder Vorschreibungen. Wenn wir uns daran orientieren, können wir den oben genannten Gefahren aus dem Wege gehen und uns zugleich im Leben selbst tiefer verankern. Dadurch werden wir uns selbst, unserem Beruf, anderen Menschen und der Schöpfung gegenüber zugewandter und liebevoller, also das Gegenteil von Weltfremdheit.

Spirituelle Elemente sind Bestandteil vieler Religionen. Kann man Spiritualität auch losgelöst von religiöser Weltanschauung erfahren?

Walch: Ja, davon bin ich überzeugt. Spirituelle Erfahrungen von Energie, Liebe und Verbundenheit helfen uns, Spaltungen aufzuheben und unsere Wesensnatur zu gewahren. Danach erleben wir uns in der Regel offener, verbundener und achtsamer. Dazu braucht es keine religiösen Anschauungen und Glaubenssätze. Für die allermeisten spirituellen Wege und Religionen ist das Göttliche nicht irgendwo außerhalb, sondern es ist tief in uns eingewoben. Es ist mit uns und durch uns. Es führt uns und unterstützt uns, sowohl in guten als auch in schlechten Tagen. Im Christentum heißt es „Das Reich Gottes ist in Dir“, im Buddhismus „Schaue nach innen, Du bist Buddha“, im Islam „Wer sich selbst kennt, kennt seinen Herrn“, im Siddha Yoga „Gott wohnt in Dir als Du“ und im Hinduismus „Atman und Brahman sind ein“. Meister Eckehart sagt „Ich will sitzen und will schweigen und will hören, was Gott in mir rede“.

Der Weg der Selbsterkenntnis ist Ihrer Meinung nach der erste Schritt. Wie kann ich erfahren, wer ich wirklich bin?

Walch: Indem ich den Weg nach innen gehe und ein bewusstes Leben führe. Wie wir wissen, ist der Weg nach innen, der längste Weg, den es zu gehen gilt. Wir werden dabei aufgefordert, an uns selbst zu arbeiten und uns von alten einengenden Mustern zu befreien. Selbstverständlich ist das auch mit zwischenzeitlichen Krisen verbunden, gerade dann, wenn alte Muster nicht mehr funktionieren und neue innere Strukturen noch nicht voll entwickelt sind. Die regelmäßige stille Meditation ist in diesem Prozess eine segensreiche Übung, die uns auf dem Wege zur Selbsterkenntnis unterstützt. Wenn wir erkennen wollen, wer wir wirklich sind und dem Größeren in uns auf die Spur kommen wollen, ist es erforderlich, innezuhalten und still zu werden. Dabei geht es zunächst darum, dass wir das, was sich in uns zeigt, an Bildern, Gedanken oder Gefühlen, nicht ergreifen oder weiterverfolgen, sondern einfach nur geschehen lassen. Wer zu meditieren beginnt, wird damit freilich in der Anfangszeit auf größere Schwierigkeiten stoßen. Das freischwebende Hineinhören in die Stille kann zunächst zu erhöhten körperlichen Spannungen wie zu einem verstärkten und chaotischen Gedankenfluss führen. Gerade dann, wenn wir ruhig werden wollen, wird es zunächst lauter. Das ist normal, denn, wenn wir still werden, beginnen wir erst zu hören, wie viele Geräusche in uns sind. Es ist auch ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass die Sinne wach werden.

Wenn man nun die inneren Abläufe weder kommentiert noch bewertet, sie also einfach nur sein lässt, kann sich der Geist sammeln und tief in sich versenken. Es kommt also darauf an, das, was uns 24 Stunden am Tage beschäftigt, loszulassen. Das ist gar nicht so einfach, denn wer bin ich dann eigentlich noch, wenn ich all das, dem ich sonst Bedeutung beimesse, beiseitelasse. Durch das Zurücktreten des identifizierenden Bewusstseins und der Fokussierung auf den gegenwärtigen Augenblick bemerken wir aber auch bald, dass etwaige Sorgen, Pläne oder Frustrationen, mit denen wir uns sonst intensiv beschäftigen, in den Hintergrund treten. Damit entsteht in uns ein Ort der Stille, der frei von alltäglichen Konflikten, Bewertungen und Erwartungen ist. Da unser Fokus dann auch nicht mehr auf etwas Bestimmtes gerichtet ist, kann unser Bewusstsein weiter und offener werden für das Tiefgründige, Hintergründige und Umgreifende.

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Warum ist es wichtig, sich selbst anzunehmen und Mitgefühl sich selbst gegenüber zu entwickeln?

Walch: Weil wir erst dann weich und durchlässig werden, also uns öffnen können. Wenn wir „Ja“ zu uns sagen und lernen, mit uns selbst liebevoller umzugehen, können wir auch besser spüren, was von innen kommt und was im Leben wichtig ist. Wenn wir irgendwo feststecken, mit uns unzufrieden sind oder sogar uns wegen unseres Verhaltens schämen, tun wir meistens das Gegenteil von dem, was wir wirklich brauchen. Wir klagen uns an, verurteilen uns oder sind aggressiv gegen uns selbst, anstatt uns anzunehmen und in solchen schwierigen Momenten selbstfürsorglich mit uns umzugehen. Gerade in schweren Stunden des Lebens brauchen wir unser Mitgefühl und unsere Zuneigung mehr denn je. Wenn wir uns in krisenhaften Zuständen noch abwerten, verhalten wir uns so, als würden wir auf ein krankes Kind noch einschlagen. Wenn wir aber in solchen Momenten freundlich mit uns selbst umgehen, werden wir bemerken, dass wir weicher werden. Dadurch fördern wir Heilung, Wachstum und die Entfaltung unserer Potenziale. Gleichzeitig werden wir uns mit dem Leben wieder anfreunden und dem, was geschieht, leichter Vertrauen schenken.

Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Wie hilft uns die spirituelle Entwicklung im Umgang mit weiteren Schicksalsschlägen?

Walch: Indem wir bemerken, dass dieses oder jenes, was uns widerfährt, nicht alles ist. Wenn wir mit dem größeren Ganzen in Verbindung sind, dann sind die Schwankungen des Lebens vorübergehende Zustände. Auf dem spirituellen Weg lernen wir, uns schneller von diesen Verhaftungen und Bedingtheiten zu lösen, uns zu entidentifizieren. Dadurch fällt es uns auch leichter, die anfallenden Probleme zu lösen und aus der Opferrolle auszusteigen. Im Idealfall entwickelt sich dadurch auch die Fähigkeit, zu pendeln, also die Störung anzuerkennen und zu bearbeiten sowie sich mit dem größeren Ganzen zu verbinden, also aus den spirituellen Ressourcen Inspiration und Kraft zu schöpfen. Jeder Schicksalsschlag steht in einem Zusammenhang mit unserer inneren Situation. Und wenn wir erkennen lernen, welche Bedeutung Schicksalsschläge für uns haben, werden wir daraus eine Menge lernen und unser Leben bereichern können. Im spirituellen Sinne können wir Schicksal auch als etwas, das uns geschickt wurde, begreifen. Geschickt aus einer höheren Ordnung heraus, um in uns kreative Impulse freizusetzen.

 

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Sie setzen in Ihren Therapien vor allem auf Holotropes Atmen. Was versteht man darunter und wie kann es helfen?

Walch: Das holotrope Atmen ist eine transpersonale Selbsterforschungsmethode, die Mitte der Siebzigerjahre von Stanislav Grof entwickelt wurde. Folgende Techniken werden dabei eingesetzt: schnelleres Atmen, unterstützende Musik, prozessuale Körperarbeit sowie intuitives Malen und Nachbearbeiten. Die teilnehmenden Personen haben sich in Paaren zusammengefunden und vorher besprochen, wer als Erster in den veränderten Bewusstseinszustand geht und wer in der nächsten Runde. In einem abgedunkelten Raum, in dem Arbeitsinseln mit Matten vorbereitet sind, liegen sie mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Daneben ist der jeweils andere positioniert, bei uns Sitter genannt, der für die äußere Sicherheit des Atmenden sorgt, insbesondere bei intensiven Emotionen, die mit heftigen Bewegungen einhergehen. In liebevoller Resonanz leistet er Hilfestellung, falls eine zusätzliche Matte oder Decke gebraucht wird, der Erfahrende etwas trinken möchte, zur Toilette muss oder um eine unterstützende Berührung bittet. In der zweiten Atemsitzung werden die Rollen gewechselt. Oft berichten Teilnehmende, dass ihr eigener Prozess in beiden Positionen angeregt wird.

Wir empfehlen den Teilnehmern, ihre Erfahrungen nicht zu bewerten oder mit anderen zu vergleichen, sondern alles, was von innen kommt als für ihren Prozess bedeutsam anzuerkennen. Auch ist es vorteilhaft, sich von konkreten Wünschen oder Anliegen, wohin die Reise gehen soll, zu lösen, um für die inneren Prozesse durchlässiger zu sein. In diesem Sinne dient eine kurze Entspannungsübung, am Beginn der Atemsitzung, den Erfahrenden, sich zu öffnen, die Kontrolle aufzugeben und dem Geschehen zu vertrauen. Danach werden sie aufgefordert, einfach schneller zu atmen und alles zuzulassen, was sich zeigen möchte.

Die Hyperventilation ist eine seit jeher bekannte Methode, um in Trance zu gelangen. In der Geschichte der Psychotherapie hat uns vor allem Wilhelm Reich darauf aufmerksam gemacht, dass sich Widerstände gegen bedrohliche oder fremd anmutende psychische Inhalte über die Blockierung des Atems aufbauen. Umgekehrt kann schnelleres Atmen dazu beitragen, Kontrollmechanismen abzubauen und mehr von uns selbst zu erfahren.

Da die Gruppenteilnehmer auf diesen Prozess vorbereitet werden und sich freiwillig darauf einlassen, kommt es nicht, wie bei panikanfälligen Menschen, die unverhofft hyperventilieren, zu sekundären Überlebensängsten, wenn sie bemerken, dass sie spontan schneller atmen. Wie wir heute wissen, senkt schnelleres Atmen die Abwehrmechanismen des Ich, fördert ganzheitliches Erleben, aktiviert die Selbstheilungskräfte und regt die Wahrnehmung von inneren Bildern an. Hemmende Faktoren, die normalerweise der Informationsverarbeitung im Alltag dienen, werden gelockert und der Fokus der Wahrnehmung ist soweit nach innen verschoben, dass die im Wachbewusstsein sinnlich zugängliche Außenwelt kaum noch eine Rolle spielt. Die gewöhnlichen Grenzen von Person, Raum und Zeit sind durchlässiger oder werden gänzlich transzendiert. In diesem Zustand, der von Plausibilitätskontrollen und Realitätsprüfungen weitgehend befreit ist, öffnen sich für unser Inneres neue und wachstumsfördernde Erfahrungsräume.

Wenn es gelingt, der inneren Weisheit radikal zu vertrauen, also sich auf das einzulassen, was im Erleben an Gefühlen, Bildern, Körperresonanzen, Impulsen oder Energien gegenwärtig wird, werden genau jene unbewussten Anteile sichtbar, die für den nächsten Entwicklungsschritt von Bedeutung sind. Die innere Weisheit reguliert deren Aneignung und integriert damit therapeutische und spirituelle Prozesse im Sinne eines ganzheitlichen Wachstums.

Das holotrope Atmen ist eine effektive Möglichkeit, Heilung und Wachstum zu unterstützen. Insbesondere deshalb, weil es uns hilft, unbewusste und unverarbeitete Aspekte der Seele zu integrieren, Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, die Identität zu erweitern und spirituelle Einsichten zu gewinnen. Insgesamt fördert es Gelassenheit, Selbstsicherheit, Freude und Vertrauen ins Leben.

 

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Welche Vorteile bietet die Meditation?

Walch: Sich selbst besser kennenzulernen, das Bewusstsein zu erweitern, Gelassenheit zu entwickeln, Dinge nicht so wichtig zu nehmen, die Gedankenaktivitäten zu beruhigen und inneren Frieden zu finden. Wenn wir die Meditation regelmäßig praktizieren, werden wir gesünder, freier und offener. Durch die Meditationsenergie breitet sich in uns ein sinnerfüllter Ruhezustand aus. Dieser wirkt inspirierend, heilend und stabilisierend. Wir erleben uns dann mehr mit dem Fluss des Lebens verbunden und uns fällt es dann leichter, das Leben, so wie es sich vollzieht, anzuerkennen und dem, was geschieht, zu vertrauen. Die Essenz unseres Seins entbirgt sich durch Meditation.

Wie kann ich herausfinden, was meine Lebensaufgabe ist?

Walch: Indem ich beginne, mich selbst tiefer zu verstehen, meine Potenziale zu entfalten, vorgefertigte Denkmuster abzulegen und spirituelle Übungen zu praktizieren. Zwischenzeitlich ist es auch sinnvoll, Kontemplationen durchzuführen, indem ich die Frage, was meine Lebensaufgabe ist, meinem Innersten stelle. Dabei ist es wichtig, alles loszulassen, was ich mir bisher dazu gedacht habe. Im Folgenden darf ich die Schritte einer Kontemplation darstellen. In die Kontemplation können wir jede Frage, die uns beschäftigt, einbeziehen.

Kontemplationsschema (Übung):

  • 1. Halten Sie bitte für einen Augenblick inne und nehmen Sie wahr, welche Frage oder welches Thema Sie zurzeit am meisten in Ihrem Leben beschäftigt. Formulieren Sie daraus eine ganz konkrete Fragestellung. Diese schreiben Sie sich auf. Dann nehmen Sie eine gute körperliche Position ein und entspannen sich.
  • 2. Schließen Sie bitte die Augen und registrieren Sie alles, was schon zu dieser Frage an Ideen, Ratschlägen und vorläufigen Antworten aufgetaucht ist. Lassen Sie sich dafür Zeit, bis Sie den Eindruck der Vollständigkeit haben. Sie können sich auch vor Ihrem geistigen Auge einen Kreis zeichnen und alle diese Aspekte symbolisch dort hineinlegen.
  • 3. Ganz allmählich stellen Sie sich vor, wie Sie mit dem Ausatmen alle diese Aspekte loslassen oder außerhalb des Kreises befördern, bis am Ende allein die Frage übrig bleibt. Vielleicht hat sie sich in der Zwischenzeit auch leicht verändert. Wir machen nun eine kurze Reise nach innen und nehmen nur noch die Frage mit.
  • 4. Rücken Sie jetzt ein wenig auf Ihrem Stuhl nach vorne, sodass Ihr Rücken sich von alleine aufrichtet und die Wirbelsäule sich über dem Becken zentriert. Die Hände legen Sie geöffnet in den Schoß. Sie spüren sich ganz präsent im „Hier und Jetzt“ und nehmen den Raum neben Ihnen, unter Ihnen und über Ihnen wahr. Sie spüren, wie Sie und der Raum eins werden. Der persönliche Raum verschmilzt mit dem großen Raum. Dann atmen Sie tief ein und aus.
  • 5. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit mehr und mehr von außen nach innen. Ruhig fließt der Atem weiter ein und aus. Falls Sie körperliche Spannungen oder Blockaden erleben, atmen Sie einfach hin und lassen mit dem Ausatmen los. Vielleicht dauert es noch ein wenig, bis die Geräusche abnehmen und Sie sie am Ende vielleicht ganz hinter sich lassen können. Vielleicht erleben Sie auch jetzt schon, wie Sie sanft nach innen gleiten. Sie spüren, wie Sie Schritt für Schritt, ganz von selber, immer tiefer kommen. Lassen Sie sich einfach weiter, vielleicht mithilfe ihres Atems, nach innen führen. Immer tiefer, immer weiter, bis Sie die Empfindung haben: Hier ist mein Innerstes, mein im Augenblick spürbarer tiefster Grund. Dann stellen Sie sich bitte vor, wie Sie sich dort, in Ihrem Zentrum, in Ihrer Mitte, einrichten und niederlassen.
  • 6. Wenn wir in ein paar Augenblicken die vorbereitete Frage unserem Innersten stellen, dann ist es wichtig, einfach alles aufzunehmen, was danach kommt, seien es Sätze, Bilder, Symbole, Geräusche, Gefühle, Empfindungen oder lediglich körperliche Zustände. Die Antworten können sich in unterschiedlicher Weise einstellen. Es ist wichtig, alles zu registrieren, ohne es zu interpretieren oder zu kommentieren.Nun bitte ich Sie, nochmals zu Ihrem Zentrum hinzuspüren und vertrauensvoll die vorbereitete Frage Ihrem Innersten zu übergeben. Sie können sich auch vorstellen, wie Sie ein Kuvert mit der Frage in Ihre innere Mitte legen. Dann registrieren Sie für die nächsten Minuten einfach das, was passiert, ganz im Austausch mit sich selbst. Sie brauchen nur die Frage zu stellen und darauf zu achten, was sich spontan einstellt.
  • 7. Bevor wir allmählich unsere Reise zurück antreten, können Sie, wenn Sie möchten, vielleicht dem Inneren noch „Danke“ sagen oder eine Geste zum Ausdruck bringen. Nun, allmählich, kommen Sie langsam mit Ihrem Spürbewusstsein wieder an die Oberfläche zurück. Fließend und leicht, noch mit geschlossenen Augen, nehmen Sie wieder Ihren Körper und den Raum, in dem Sie sich befinden, wahr. Nun können Sie auch die Augen wieder öffnen und sich im Raum umsehen. Dabei können Sie sich auch ein wenig strecken und dehnen. In den nächsten Minuten schreiben Sie bitte alles auf, was Ihnen gekommen ist, ohne noch direkte Bezüge zur Fragestellung herzustellen.
  • 8. Legen Sie beides nebeneinander, die Fragestellung und die Antworten. Lassen Sie es auf sich wirken, und vielleicht ergeben sich dadurch neue Sichtweisen.

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Ihr neues Buch „Die ganze Fülle deines Lebens“ enthält eine Vielzahl spiritueller Impulse und Meditationsübungen. Kann man auch autodidaktisch den Weg eines bewussteren Lebens gehen?

Walch: Grundsätzlich ja, aber ich empfehle, sich immer wieder Unterstützung zu holen, von Therapeuten und/oder spirituellen Lehrern. Manchmal haben wir blinde Flecken, die unsere Sicht auf uns selbst verstellen. Ein neutraler Begleiter kann uns dann aus diesen eingeschränkten Sichtweisen herausführen und uns nützliche Anregungen geben. Darüber hinaus können wir hartnäckige Blockaden oder Hindernisse vielleicht besser überwinden, wenn uns jemand dabei hilft. Selbstverständlich ist das Buch auch als Anleitung für den eigenen spirituellen Weg gedacht. Wenn Sie die kurzen Impulse auf sich wirken lassen und die Übungen durchführen, werden sie in Ihrem inneren Weg zur Bewusstheit große Unterstützung erfahren. Wenn Sie aber in diesem Prozess auf unüberwindliche Hürden stoßen oder bestimmte emotionale Probleme nicht lösen können, ist es sinnvoll, sich fachkundigen Rat zu holen.

Sie bieten regelmäßig Seminare an. Welche Themen stehen dabei im Vordergrund, für wen sind Sie sie geeignet und wie laufen Sie ab?

Walch: Ich biete Seminare für alle Interessierten und für Leute aus sozialen Berufen an. Daneben bin ich noch als Ausbilder für Psychotherapie tätig. Die Themen sind sehr vielfältig, von holotropen Atmen über spirituelle Seminare und Ausbildungsseminare in Körperarbeit und Gestalttherapie. Meistens sind es Seminare, die fünf Tage dauern. Ein guter Ausgangspunkt für Leute, die sich meiner Arbeit annähern wollen, ist das Einzelseminar „Holotropes Atmen“. Der Aufbau eines solchen Seminars können Sie sich in etwa folgendermaßen vorstellen: Grundsätzlich kann sich jeder Seminarteilnehmer darin zweimal als Erfahrender (da ist man selbst im Atemprozess) erleben und fungiert zweimal als Sitter (da sitzt man neben einem Atmenden und unterstützt ihn in einfachen Dingen, wie beispielsweise zur Toilette begleiten oder Wasser bringen, etc.). Die vier Atemsitzungen finden zu folgenden Zeiten statt: 1 x vormittags und 1 mal nachmittags am 2. Tag, 1 x nachmittags am 3. Tag und 1 x vormittags am vierten Tag). Die Dauer einer Atemsitzung erstreckt sich über 3-5 Stunden.

Von diesem Basisseminar ausgehend, melden sich Leute dann auch zu längerfristigen Seminarreihen an, in denen man einerseits den Weg des Holotropen Atmens über vier Jahre in einer festen Gruppe erfahren kann, das sogenannte Kompaktcurriculum. Das hat den Vorteil eines längerfristigen gemeinsamen Prozesses, in dem alte Muster nachhaltig aufgelöst und öffnende Erfahrungen stabilisiert werden können. Diese Seminarreihe dauert vier Jahre und pro Jahr werden zwei Fünftagesseminare durchgeführt. Jedes Seminar hat auch ein Leitthema, das vertieft wird, beispielsweise „Das Selbst als innere Weisheit“. Neben dieser intensiven Selbsterfahrung, können auch optionale Kompetenzseminare besucht werden, wenn man gerne die Arbeit selbst ausführen möchte.

Darüber hinaus biete ich noch die Seminarreihe STW an. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, einen kulturübergreifenden spirituellen Weg der Bewusstheit zu gehen, in dem seelische Heilung und geistige Übungspraxis miteinander integriert werden. Im Unterschied zum Kompaktcurriculum werden längere Meditation angeboten und diese auch ausführlich reflektiert, sodass sich die Meditationspraxis mehr und mehr entwickeln kann. Daneben werden Kontemplationen durchgeführt, die bestimmte Themen behandeln, u. a. „Universale Liebe und Mitgefühl“, „Die Entfaltung des Göttlichen in mir“ „Wie können wir glücklich leben“, etc. In dieser Seminarreihe gibt es aber auch zwei Atemsitzungen, also eine als Erfahrender und eine als Sitter, um sich so die Heilkraft veränderter Bewusstseinszustände auf dem spirituellen Weg zunutze zu machen und mögliche emotionale Probleme zu lösen. Diese Seminarreihe wendet sich in erster Linie an spirituell Interessierte, die einen ganzheitlichen Weg gehen möchten, denn wenn sich seelische und spirituelle Prozesse ergänzen, kann sich der innere Weg authentisch und nachhaltig entwickeln.

 

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Wie kamen Sie als Psychotherapeut auf den Weg zur Spiritualität?

Walch: Schon im späten Jugendalter beschäftigte ich mich mit Yoga, Spiritualität und Philosophie. Danach rückte die wissenschaftliche Psychologie ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Ganz besonders interessant fand ich dabei die unterschiedlichen seelischen Zustände, insbesondere auch Grenzerfahrungen. In diesem Zusammenhang, als ich in der Psychiatrie arbeitete und später dann selbst ein Krankenhaus aufbaute, erkannte ich, dass man Menschen besser begleiten kann, wenn man auch ihre spirituelle Seite in den Heilungsprozess mit einbezieht. So war es nicht verwunderlich, dass ich Stanislav Grof begegnete und bei ihm lernte. Das holotrope Atmen ist eine effektive Methode, um Psychotherapie und Spiritualität miteinander zu verbinden. Erlauben Sie mir, kurz zwei persönliche Erlebnisse zu schildern, die meinen Blick für die transpersonale Psychologie geöffnet und mich zum holotropen Atmen gebracht haben.

Während ich Anfang der Achtzigerjahre als Therapeut in der Psychiatrie tätig war, betreute ich eine Frau, die mit einem Fleischermesser ihre beiden Kinder umgebracht und ihren Mann schwer verletzt hatte. Am Pfingstsonntag, als ich mit meiner Frau zuhause beim Frühstück saß, hörte ich in meinem Inneren einen verzweifelten Hilfeschrei dieser Patientin, der mich veranlasste, unverzüglich ins Krankenhaus zu fahren. Als ich den Haupteingang betrat, stürzte sich der diensthabende Pfleger auf mich und teilte mir schockiert mit, dass sich diese Frau gerade umbringen wollte. Sie hatte sich in seiner Begleitung, auf dem Gang vom Gottesdienst in der hauseigenen Kapelle zu ihrem Krankenzimmer plötzlich aus einem offenen Fenster des 2. Stocks gestürzt. Zum Glück wurde sie nur geringfügig verletzt, weil ein Rosenstrauch ihren Sturz abfing. Im Gespräch über diesen Vorfall berichtete sie mir, dass sie während der Messe von ihren toten Kindern gerufen wurde und unbedingt zu ihnen wollte.

Ich war völlig überrascht darüber, diesen Vorfall aus der Ferne zeitgleich intuitiv erfasst zu haben. Dieses eindrückliche Erlebnis ließ mich erahnen, dass unser Bewusstsein offenbar zu mehr fähig ist als gemeinhin angenommen. Da sich damals die traditionelle Wissenschaft der Psychologie und Psychotherapie noch kaum mit diesen Phänomenen beschäftigte, hielt ich Ausschau nach neuen Ansätzen.

Zwei Jahre nach diesem Ereignis leitete ich ein psychotherapeutisches Ausbildungswochenende. Gleich in der Anfangsrunde äußerte ein Teilnehmer den Wunsch, die Abendsitzung ausfallen zu lassen, um unweit von unserem Seminarort einen interessanten Vortrag von einem gewissen Stanislav Grof über eine neue Art von Psychotherapie, die mit veränderten Bewusstseinszuständen arbeitet, besuchen zu können. Zunächst sträubte ich mich, weil ich seine Anregung als Widerstand gegen seinen inneren Prozess oder meine Arbeit deutete. Während ich versuchte, ihm seine unbewussten Motive klarzumachen, verspürte ich auf einmal eine irritierende Enge im Brustraum. Ich hielt kurz inne. Und es kam mir die spontane Vermutung, dass dies vielleicht mit meinem eigenen Denkansatz und der daraus abgeleiteten Interpretation dieser Situation zu tun haben könnte. Sofort fühlte ich mich freier und willigte prompt in diesen Vorschlag ein. Dort angekommen, war mir von der ersten Minute an klar, dass sich für mich etwas Bahnbrechendes ereignete. Es erfasste mich eine Energie, die mich bis heute nicht mehr losgelassen hat, denn auf einmal fügte sich zusammen, was bisher getrennt schien: moderne Psychologie und alte Weisheitslehren, Psychotherapie und Spiritualität.

Damit begann ein Weg, der für mich sowohl privat als auch beruflich umwälzende Veränderungen zur Folge hatte. Ich kündigte wenig später meine Stelle als Krankenhausleiter, die ich zu dieser Zeit innehatte, um die außergewöhnlichen Erfahrungen, die mir im Holotropen Atmen zuteilwurden, für die traditionelle Psychotherapie und klinische Psychologie fruchtbar zu machen. In den letzten beinahe 30 Jahren durfte ich viele Menschen durch veränderte Bewusstseinszustände begleiten und einige hundert TherapeutInnen in dieser Methode ausbilden. Gott sei Dank habe ich damals „Ja“ gesagt!

Mitte der 1980 er Jahre stürzten Sie in eine tiefe Sinnkrise. Obwohl Sie als Lehrtherapeut und Krankenhausleiter beruflich äußerst erfolgreich waren, kam in Ihnen Unruhe auf und sie fühlten sich ausgebrannt. Sie lehnten sogar das außergewöhnlich gut dotierte Angebot ab, Direktor von drei psychotherapeutischen Krankenhäusern zu werden, und änderten radikal Ihr Leben. Wie haben Sie es geschafft, die Krise zu meistern?

Walch: Schon in jungen Jahren war ich äußerst erfolgreich, hatte zwei prächtige Söhne und eine wunderbare Familie. Doch ich spürte, dass ich unruhig und unzufrieden wurde. Etwas in mir wollte mehr, nicht im Sinne von mehr Erfolg oder mehr materiellen Werten, sondern im Sinne einer Vertiefung und Erweiterung meines Bewusstseins. Da ich mich schon im späten Jugendalter mit östlicher Philosophie und mit Yoga beschäftigte, war ich nun, nach den Jahren der Psychologie, Wissenschaft und intensiven Psychotherapie, wieder bereit, daran anzuschließen. Diese Gleichzeitigkeit von innerem Engpass und Bereitschaft zur Öffnung, löste bei mir eine Sehnsucht nach neuen Erfahrungen aus. So kam es, dass ich mich bei einem transpersonalen Kongress zu einem Feuerlauf anmeldete. Dabei erlebte ich außergewöhnliche Erfahrungen von Angstfreiheit, überwältigender Kraft und Liebe. Diese Energie trug mich durch die Krise hindurch. Ich begann wieder regelmäßig zu meditieren, ging mit mir selbst und anderen achtsamer um und widmete mich intensiver der transpersonalen Psychologie sowie dem holotropen Atmen.

Von diesem Zeitpunkt an, sah ich es als meine Aufgabe an, Psychotherapie und Spiritualität, altes Wissen und moderne Psychologie, miteinander zu verbinden. Im Siddha Yoga fand ich meine spirituelle Heimat. Meine neue Aufgabe, mein spiritueller Weg und die Energie, die mich beseelte, halfen mir die Krise zu meistern und unterstützen mich bis heute auf meinem persönlichen und beruflichen Weg. Mit Dankbarkeit und Freude blicke ich zurück. Das größere Ganze oder das Göttliche standen und stehen mir stets zur Seite, wenn ich mich nach innen wende, mich spüre und durchlässig bin.

 

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Was ist Ihr ganz persönlicher Sinn des Lebens?

Walch: Dem Leben so zu vertrauen, wie es sich vollzieht. Heute sehe ich in allem, was passiert, eine Anregung und eine Hilfe, Sinn zu entfalten und dem Eigentlichen im Leben mehr Raum zu geben. Ich betrachte es auch als Sinn meines Lebens, Menschen zu begleiten, um ihre Heilung und ihr spirituelles Wachstum zu unterstützen. In einem größeren Kontext ist es meine Aufgabe, zwischen Spiritualität, Wissenschaft und Psychotherapie Brücken zu bauen und die generelle Dialogbereitschaft in diesem Bereich zu fördern. Darüber hinaus ist es für mich auch wichtig, für meine Familie und meine Kinder da zu sein, wenn sie mich brauchen. Im Alltag kleine Schritte der Achtsamkeit zu üben, dem Weg des Herzens zu folgen, sowie Stimmigkeit und Wahrhaftigkeit zu vermehren, hilft mir dem größeren Ganzen zu dienen und damit dem natürlichen Sinn des Lebens Raum zu geben.

Herr Walch, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.

Weitere Informationen unter: www.walchnet.de

Zur Person: Sylvester Walch

Dr. Sylvester Walch wurde 1950 in Berchtesgaden geboren. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er studierte Psychologie, Psychiatrie, Psychopathologie und Philosophie. Seit 1975 ist er als Psychotherapeut tätig, seit 1979 als Lehrtherapeut und Lehrsupervisor in verschiedenen therapeutischen Verbänden. Er arbeitete als Psychotherapeut in einem psychiatrischen Krankenhaus und leitete danach über sechs Jahre eine stationäre Einrichtung. Er ist Gesamtleiter der Curricula für Transpersonale Psychologie, Holotropes Atmen (ÖATP) und körperorientierte Verfahren.

Ab 1985 wandte er sich intensiv der Arbeit mit veränderten Bewusstseinszuständen (holotropes Atmen) zu. Er entwickelte, in Anlehnung an Stanislav Grof, bei dem er über vier Jahre in Ausbildung war, ein eigenes Konzept. Sylvester Walch verfügt über eine langjährige Meditationspraxis und entwickelte einen ganzheitlichen Weg, in dem seelische Heilung und geistige Praxis integriert werden.

Seine Hauptgebiete, die er auch an Universitäten lehrt, sind: Humanistische und transpersonale Psychologie sowie Psychotherapie, holotropes Atmen und Spiritualität. Sylvester Walch ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher, darunter „Dimensionen der menschlichen Seele“, „Vom Ego zum Selbst“ oder „Die ganze Fülle deines Lebens“. Außerdem gibt er Seminare und hält regelmäßig Vorträge.

Bilder: Sylvester Walch, Unsplash, Pixabay

 

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Filmgespräch mit Dr. Sylvester Walch – transpersonaler Psychotherapeut from transpersonale psychologie on Vimeo.

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