Interview mit Reinhard Gorenflos, Gründer von TuaRes: Vom Finanzinvestor zum Stifter

by Hofelich
Reinhard J. Gorenflos President Tua Res Stiftung

Reinhard Gorenflos ist ein Vollblutmanager und blickt auf eine äußerst erfolgreiche Karriere zurück. Sein Weg durch die deutsche Konzernlandschaft führte ihn bis auf die Stelle des Finanzvorstands der Aral AG. Danach baute er für den großen US-amerikanischen Finanzinvestor KKR das Private Equity-Geschäft in Europa und Deutschland mit auf und wurde zu einem renommierten Kopf der Branche. Nach zehn Jahren gab der Vater von drei Kindern jedoch seinen Beruf als Finanzinvestor auf und wurde Sozialentrepreneur. Im Sommer 2012 gründete er die Stiftung TuaRes mit dem Ziel, die Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen im westafrikanischen Burkina Faso zu unterstützen. Im Interview mit SinndesLebens24 spricht Reinhard Gorenflos über den Wandel vom Finanzinvestor zum Stifter, seine Motivation und den Sinn des Lebens.

Herr Gorenflos, was hat Sie dazu bewogen, sich im besten Manager-Alter von 50 Jahren aus dem lukrativen Private Equity-Geschäft zurückzuziehen und eine Stiftung zu gründen?

Gorenflos: Meine Zeit als Partner bei KKR war sehr spannend. Wir haben ganze Segmente von Konzernen übernommen, restrukturiert und als eigenständige Unternehmen erfolgreich gemacht. Zu den Highlights zählten etwa die Käufe des Krantechnikspezialisten Demag von Siemens, des Triebwerksherstellers MTU Aero Engines von DaimlerChrysler oder die Übernahme des Dualen Systems. Ich hatte von Anfang an vor, mein Engagement in der PE-Industrie auf etwa zehn Jahren zu begrenzen. In diesem Zeitrahmen bin ich geblieben. Ich habe mich 2010 sukzessive aus KKR zurückgezogen und meine Aufgabe 2012/13 offiziell beendet. Da begann ein ganz neues Kapitel in meinem Leben. Ich wollte etwas ganz anderes machen, das auf sozialen Nutzen ausgerichtet ist und der Gesellschaft etwas zurückgeben. So gründete ich die Stiftung TuaRes, die sich der Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen im westafrikanischen Burkina Faso widmet.

Welche Ziele verfolgt TuaRes? Welche Philosophie steckt dahinter?

Gorenflos: Die Stiftung fördert die Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen in Afrika. Der Name ist inspiriert von dem Zitat des römischen Dichters Horaz „Tua res agitur“ – „Es ist Deine Sache“. Nach diesem Leitsatz wollen wir Menschen ermutigen, mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Der Satz bedeutet aber auch, dass es uns nicht gleichgültig sein kann, was auf der Welt passiert und wir etwas tun müssen. Das sind die Grundgedanken und die Philosophie hinter der Stiftung.

Gerade in Afrika haben Mädchen wenig Chancen, in die Schule zu gehen, später ein eigenes Einkommen zu erzielen und selbstbestimmt zu leben. Bildung verbessert das Leben armer Mädchen, stärkt sie und ermöglicht es ihnen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Dabei setzen wir in der Grund-, Mittel- und Oberschule an. Unser aktueller Schwerpunkt ist Burkina Faso in Westafrika, eines der ärmsten Länder der Welt. Wir sind davon überzeugt, dass die Ausbildung von Mädchen der beste Ansatz ist, um die langfristige Entwicklung eines Landes zu fördern. Denn Frauen, die eine gute Ausbildung haben, tun auch mehr für die Gesundheit und die Ausbildung ihrer Kinder.

Es ist ein ganz zentraler Faktor, dass wir beim einzelnen Menschen ansetzen, dem unser Handeln einen enormen persönlichen Nutzen bringt. Wir hoffen dadurch, langfristig auch die Gesellschaft in Burkina Faso positiv zu verändern.

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Was verbindet Sie persönlich mit Burkina Faso?

Gorenflos: Zu Burkina Faso habe ich eine besondere Verbindung. Im Alter von sieben Jahren kam ich in den westafrikanischen Staat, der damals Obervolta hiess, als mein Vater deutscher Botschafter wurde und verbrachte dort Teile meiner Jugend. Als Jugendlicher habe ich mich stark in der evangelischen Kirche engagiert und hatte bereits erstes Interesse an Entwicklungshilfe. Nach meinem Studium in Harvard habe ich mich zunächst bewusst für eine Karriere in der Industrie entschieden, um zu lernen, wie die Wirtschaft funktioniert und um Geld zu verdienen. Gleichzeitig hatte ich auch immer den klaren Plan, später wieder nach Afrika zurückzukehren, um dort etwas zu bewegen. Bemerkenswerterweise hat alles genauso funktioniert.

Wie sieht die konkrete Unterstützung vor Ort aus?

Gorenflos: In Burkina Faso schließen nur etwa 40 % der Mädchen die sechsjährige Grundschule ab. Viele können sich den Unterricht nicht leisten und müssen Zuhause mitarbeiten. Wir übernehmen das Schulgeld, stellen Schulkleidung, Hefte, Schulspeisung und Solarlampen zur Verfügung und versorgen auch die Eltern mit Nahrungsmitteln. So stellen wir sicher, dass die jungen Frauen überhaupt am Unterricht teilnehmen können. Ein wichtiger Schwerpunkt ist auch Nachhilfeunterricht, den wir organisieren, damit die TuaRes Schülerinnen auch gute Schulerfolge vorweisen können.

Wie wird die Stiftung finanziert?

Gorenflos: Ich finanziere die Stiftung zu 80 bis 90 % aus eigenen Mitteln. Mein Commitment zur langfristigen Finanzierung steht. Doch je mehr Unterstützung wir von außen erhalten, desto mehr Menschen können wir fördern. Deswegen sind wir sehr dankbar für jede Spende oder Unterstützung. Wir legen auch gerade ein neues Programm auf, mit dem wir zu Patenschaften einladen. Ein wichtiger Faktor: Den Verwaltungsaufwand der Stiftung finanziere ich komplett selbst, sodass jeder Cent der Spenden direkt den Menschen zugutekommt.

Wie stark sind Sie persönlich in die Stiftungsarbeit involviert?

Gorenflos: Ich stecke den Großteil meiner Arbeitszeit in die Stiftung und bin auch vier bis fünf Mal im Jahr vor Ort in Afrika. Die Stiftung ist eine langfristig angelegte Aufgabe, die ich in den Mittelpunkt meiner Aktivitäten der nächsten zehn bis 20 Jahre stellen möchte.

Wie ist Ihre Organisation aufgestellt? Wie stellen Sie sicher, dass die Hilfe vor Ort ankommt?

Gorenflos: Die Stiftung beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiter, zwei in der Münchener Zentrale und elf in Burkina Faso. Dazu kommen ehrenamtliche Mitarbeiter, die mit viel Engagement bei TuaRes mitwirken. Wir arbeiten sehr intensiv zusammen. Das Team vor Ort, darunter neun Sozialarbeiter, setzt die konkrete Arbeit um und wird intensiv von uns aus München heraus betreut. Jeden Monat ist ein Mitarbeiter aus München in Westafrika. So stellen wir sicher, dass das Geld vor Ort ankommt.

Welches Zwischenfazit können Sie seit der Stiftungs-Gründung im Jahr 2012 ziehen?

Gorenflos: Wir konnten in diesen vier Jahren bereits rund 5.000 Mädchen unterstützen. Pro Jahr fördern wir aktuell 1.500 junge Frauen. Ein Dutzend hat die Schulausbildung inzwischen erfolgreich abgeschlossen. In dieser Zeit haben wir viel gelernt. Unter anderem, dass die Ausbildung in der Schule zwar wichtig, aber noch nicht alles ist. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, den Mädchen auch eine Berufsausbildung zur Lehrerin, Krankenschwester oder Schneiderin zu ermöglichen. Einer kleinen Auswahl unserer Schülerinnen haben wir ein Stipendium für das Studium an der Universität gegeben.

Zudem möchte TuaRes den Mädchen zusätzliches Rüstzeug an die Hand geben, damit sie in der Welt bestehen können und bietet jetzt auch Kurse in den Bereichen IT, Englisch und Life Skills (wie Selbstverteidigung oder erste Hilfe) an. Ein Alumni-Netzwerk soll den Absolventinnen helfen, sich zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen. Natürlich gibt es auch viele andere Bereiche mit brennenden Problemen wie Energie, Infrastruktur und Gesundheitswesen. Aber man darf sich nicht verzetteln und seinen Fokus verlieren. Der liegt bei uns klar auf der Selbstbestimmung der Mädchen durch Bildung. Mit diesem Fokus sind wir gut gerüstet für die Zukunft.

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Was bedeutet die Stiftungsarbeit für Sie persönlich?

Gorenflos: Es ist sehr bewegend für mich, dass wir mit unserer Arbeit das Schicksal einzelner Menschen dramatisch verbessern können. Wir hatten Mädchen, die mit zwölf Jahren kurz davor standen, zwangsverheiratet zu werden. Mit unserer Hilfe konnte das verhindert werden. Eines dieser Mädchen hat inzwischen ihr Abitur gemacht und erhält ein Universitätsstipendium von uns. Das zeigt mir, dass die Arbeit der Stiftung enorm viel Sinn macht. Wir haben gerade erst begonnen. Vor uns steht noch eine lange Reise und ich hoffe, dass wir noch viel mehr Mädchen als bisher die Chance auf ein besseres Leben geben können.

Von welchen Erfahrungen aus der KKR-Zeit können Sie bei der Stiftungsarbeit besonders profitieren?

Gorenflos: Es ist weniger die spezielle Berufserfahrung als Private Equity Manager, die für die Stiftungsarbeit wichtig ist, sondern vielmehr die Lebenserfahrung. Was wirklich hilft, sind ein gewisses Durchhaltevermögen, auch nach Rückschlägen weiterzumachen, der gesunde Menschenverstand und eine große Offenheit gegenüber anderen Kulturen.

Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Gorenflos: Die Stiftung ist für mich ein langfristiges Projekt. Ich hoffe, dass wir noch mehr Mädchen auf immer bessere Weise unterstützen können. Dass wir den Zugang zum heiligen Gral der Entwicklungsarbeit finden: die jungen Frauen nicht nur richtig auszubilden, sondern ihnen auch eine wirkliche Chance auf einen Arbeitsplatz und ein Einkommen zu geben. Je mehr Menschen wir erreichen, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, das Leben der Gesellschaft in Burkina Faso insgesamt zu verbessern. Wir denken nicht klein, wir wollen Großes bewirken.

Was ist für Sie persönlich der Sinn des Lebens?

Gorenflos: Wer wie viele Menschen in Afrika in Armut lebt und seine Familie durchbringen muss, für den ist das Überleben ein harter Kampf. Ich bin privilegiert, diesen Kampf nicht führen zu müssen und mehr Möglichkeiten zu haben, als andere. In meinem Leben stehen Werte wie Dankbarkeit und der Wunsch im Vordergrund, vernünftig und mit Anstand zu handeln. Dazu gehört für mich auch, meinen Wohlstand mit anderen zu teilen. Es gibt mir Sinn, mit meiner Stiftung der Gesellschaft etwas zurückzugeben und aktiv einen Beitrag dazu zu leisten, das Umfeld in dem wir leben, ein bisschen friedlicher und besser zu machen.

Herr Gorenflos, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.

Weitere Informationen zur Stiftung TuaRes unter: www.tuares.org

Fotos: Reinhard Gorenflos, Stiftung TuaRes

 

 

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