Lebensweisheiten eines Grenzgängers: Reinhold Messner

by Hofelich
Grenzgänger im Gebirge

Reinhold Messner ist der bekannteste Extrembergsteiger der Welt und hat als Pionier die Grenzen des Möglichen immer weiter verschoben. Als Grenzgänger hat er erfahren, wie Überleben funktioniert. Sein Antrieb war es, „das Unmögliche möglich zu machen“ und ausschließlich neue Ideen zu verwirklichen. Dabei hat Messner den Selbstzweck des Bergsteigens als psychische und physische Grenz- und Selbsterfahrung in den Mittelpunkt gestellt. Seine Abenteuer füllen unzählige Bücher, Filme, Reportagen und Zeitungsartikel. Hier zentrale Lebensweisheiten des Grenzgängers Reinhold Messner aus verschiedenen Interviews: Über die Exposition in einer archaischen Welt, die Bedeutung des Todes und den Sinn des Lebens.

Über Reinhold Messner: Extrembergsteiger, Pionier und Abenteurer

Der Extrembergsteiger, Pionier und Abenteurer Reinhold Messner hat zahlreiche Rekorde aufgestellt. Weltweit populär machte ihn 1978 die Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoffgerät, zusammen mit Peter Habeler. Zwei Jahre später gelang ihm diese Extremtour sogar im Alleingang. Danach stellte er weitere Rekorde auf. Unter anderem hatte er bis 1986 als erster Mensch die Gipfel aller vierzehn Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Weitere Abenteuer führten den Grenzgänger etwa durch die Antarktis, Grönland oder die Wüste Gobi.

Die Lebensgeschichte von Reinhold Messner ist äußerst vielfältig. Sie umfasst neben seiner Passion als Extrembergsteiger, Abenteurer, Buchautor, Filmemacher und Speaker auch Stationen als Politiker, Bergbauer, Museumsgründer (6 Messner Mountain Museen, MMM), Naturschützer und vieles mehr.

Seine Motivation: Neugier und Sinnhaftigkeit

Reinhold Messner: „Wenn ich etwas mache, dann ganz, auch wenn anderes dabei vernachlässigt wird. Ich kann nicht einmal schwimmen! Ich habe mein Leben lang, meinem Alter und meinen Fähigkeiten entsprechend, mein Spielfeld verändert und neue Herausforderungen gesucht. Dabei habe ich mich immer gefragt: Kann ich aus meiner Idee etwas machen? Diese Umsetzung einer Vorstellung – auch wenn sie noch so unnütz ist – ist gelingendes Leben.“

Quelle: myHealth

Reinhold Messner: (Motiviert hat mich vor allem) „Neugier und Sinnhaftigkeit. Bergsteigen ist ja nicht nützlich. Es ist nur möglich. Abenteuer wie das Bergsteigen können einer breiten Bevölkerungsschicht klarmachen, dass zwischen Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit ein großer Unterschied besteht. Etwas kann unnütz sein, aber für den Akteur das Sinnvollste der Welt. Wenn es für mich sinnvoll ist, kann ich es damit weit bringen. Die meisten Menschen achten auf Nützlichkeit. Ich reagiere auf Sinnhaftigkeit, wobei ich den Sinn, der nie und nirgends vom Himmel fällt, selbst stifte.“

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Quelle: Feature Magazin

Reinhold Messner: „‚Das Unmögliche möglich machen‘ ist mein Lebensmotto. Heute betreibe ich Bauernhöfe und leite Museen. Aufgaben, die mich aber genauso befriedigen wie früher die Berge.“

Quelle: Reinhold-Messner.de

 

Grenzgänger: Zwischen Selbsterhaltungstrieb und Selbstermächtigung

Reinhold Messner: „Grenzgänger zu sein bedeutet nicht, Grenzen zu verschieben oder neue Grenzen zu erreichen, es bedeutet zuallererst, seine eigenen Grenzen zu erkennen. Das Gehen als Zugang zur Welt, als wichtige Erfahrung für das Leben, ist ohne Ersatz. Dabei muss niemand zum Grenzgänger werden, nur erfahren, dass Gehen eine Hilfe ist, mit dem Leben zurechtzukommen. Der Grenzgang beginnt dort, wo die Show aufhört.“

Quelle: Reinhold-Messner.de

Reinhold Messner: „Grenzgänge erlebe ich, wenn ich weit, weit weg große Schwierigkeiten überwinde, mich Gefahren stelle, die ich erkenne, um ihnen auszuweichen. Sonst bin ich nicht lange am Leben. Das Ganze muss, und das ist der Schlüssel, in absoluter Exposition stattfinden. Ohne Netz und doppelten Boden.

Sie können dies alles ja nur versuchen, weil sie die Selbstmächtigkeit – das heißt die physische und die psychische Fähigkeit dazu haben. Ihre Selbstmächtigkeit ist so groß, weil sie sich hundertprozentig sicher beim Ausüben ihrer Grenzgänge fühlen.

Meine Antwort heißt, die Schwierigkeiten muss ich überwinden und steigern können. Auch Gefahren müssen da sein. Ich muss sie aber erkennen, einschätzen können und die Möglichkeit haben, ihnen auszuweichen. Das ist meine Aufgabe…“

„…Ein Berg ist erhaben, groß, eine Herausforderung. Das, was wir machen, ist eine ziemlich absurde Tätigkeit. Ist es nicht völlig absurd, dort hinzugehen, wo man umkommen könnte, um nicht umzukommen? Die Kunst dabei aber ist, nicht umzukommen! Diese Kunst, nicht umzukommen, wiederum ist nur eine Kunst, weil man dabei umkommen könnte. Es ist doch ganz einfach: Sonst wäre es kein Grenzgang.

Der Grenzgang ist definiert durch die Möglichkeit umzukommen, in die ich mich gegen meinen Selbsterhaltungstrieb wage. Unser Selbsterhaltungstrieb aber will das nicht. Dieser reagiert also mit Angst! Wenn ich es schaffe, mit Hilfe meiner Selbstmächtigkeit gegen diese Empfindungen anzugehen, mich zu überwinden oder die Angst ins Gleichgewicht mit meinem Mut zu bringen, gehe ich los. Wenn ich zurückkomme, zuletzt nicht dabei umkomme, habe ich einen Grenzgang hinter mir. Und erlebe das als Wiedergeburt. Das heißt Energierückfluss, Lebensfreude, neue Ideen, habe also Lust, noch eins draufzusetzen. Vielleicht sogar ein bisschen mehr.“

Quelle: jensvoegele.de. Veröffentlicht im Magazin LIMITS, Ausgabe 1/2018.

 

Extrembergsteigen: Die Exposition in einer archaischen Welt – ohne Netz und doppelten Boden

Reinhold Messner: „Mich interessiert beim Bergsteigen der Mensch. Wir gehen dabei in eine archaische Welt – ohne jede Zivilisation – und erfahren, wer wir sind. Man spürt, wie die Zweifel, Hochgefühle und Ängste wachsen. Daraus gewinnen wir Selbsterkenntnis und Selbstmächtigkeit – nämlich dann, wenn wir erleben, dass wir etwas erreicht haben, das wir uns zuvor vielleicht nicht zugetraut haben.

Für ein Abenteuer braucht es drei Voraussetzungen: Schwierigkeiten als große Herausforderung der Natur, dazu Gefahren, die erkannt und vermieden werden müssen, und zuletzt die Exposition. Dieses Ausgesetztsein ist elementar, um sich selbst zu erleben. Der Mensch ist ein Mängelwesen. Das wird in solchen Situationen besonders spürbar.“

Quelle: myHealth

Reinhold Messner: (Über das Extrembergsteigen) „Die Kehle ist geschwollen, man hat Kopfweh, man hat Angst. Glauben sie niemandem, der in diesen Höhen von Spaß redet. Die Spitzenalpinisten fangen dort an, wo der Spaß aufhört. Was wir tun, ist unnütz, ich bin ein Eroberer des Nutzlosen.“

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Nr. 182/2008, 6. August 2008, S. 8

Reinhold Messner: „Die Erfahrung am Berg macht klar, wie winzig und vergänglich wir sind, zeigt aber umgekehrt auch, zu was wir Menschen fähig sind. Es schenkt uns Selbstmächtigkeit, nicht nur Selbstbewusstsein.“

Quelle: ORF-III-Künstlergespräche

Reinhold Messner: „Wir gehen als traditionelle Alpinisten in eine archaische Welt hinein, wir agieren nach anarchischen Mustern. Es gibt keine Gesetzgebung, wenn ich auf einen Achttausender steige. Wenn ich mit zwei Kameraden über eine neue Route auf den Everest steige, haben wir vollkommene Freiheit. Wir haben nur die Naturgesetze zu respektieren. Mache ich einen großen Fehler, bin ich tot. Die Natur fällt mein Todesurteil. Im Grunde gibt es keine stärkere Auseinandersetzung: hier die Menschennatur, dort die Bergnatur. Wenn beide sich begegnen, passiert etwas in der Natur des Menschen.“

Quelle: Feature Magazin

 

Begegnung mit dem Tod und die Bedeutung für das Leben

Reinhold Messner: „Das Fast-Sterben und dann Überlebthaben ist das Stärkste, was wir spüren können.“

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Nr. 182/2008, 6. August 2008, S. 8.

Reinhold Messner: „Der Tod hat weder Augen noch Absichten. Er ist Teil von uns. Ich lebe intensiv, im Hier und Jetzt, weil ich zu sterben gelernt habe.“

Quelle: Feature Magazin

Reinhold Messner: „Wer in seinem Leben ein Nahtoderlebnis erfahren hat oder sehr nahe an den Tod herangekommen ist, der sieht das Leben ganz anders. Im tibetischen Totenbuch steht, wer nicht gelernt hat zu sterben, kann nicht intensiv leben.

Das heißt, es muss uns bewusst werden, dass unser Leben begrenzt ist. Und dadurch ist es natürlich viel intensiver, weil ich weiß, ich will mein Leben ausfüllen. Ich drücke mich auch aus mit meinem Leben. Ich bin wie alle anderen auch Künstler, d.h. was ich mache ist die Kunst des Überlebens.

Für mich ist der Alpinismus diese Auseinandersetzung mit dem großen, zeitlosen Berg, der vielleicht 600 Mio. Jahre alt ist. Und mir, einem kleinen Männchen, das vielleicht 70 oder 80 Jahre alt wird, eine kulturelle Erscheinung.

Eine radikale Auseinandersetzung zwischen dem Berg und dem Menschen, oder mit dem archaischen Raum generell und dem Menschen. Und Angesichts des Todes wird das Leben ja absurd. Das Bergsteigen ist die Eroberung des Nutzlosen, weil es absurd wird. Aber umso mehr müssen wir Sinn hineinlegen, um dieses Leben gestalten zu können.

Und wer die Erfahrung gemacht hat, dass der Tod real zum Leben gehört, mit jeder Faser des Daseins, der wird intensiver leben, als ein anderer.“

Quelle: ORF-III-Künstlergespräche

 

Die Momente des Zurückkommens sind stärker als die Momente am Gipfel

Reinhold Messner: „Ich hatte immer nur ein einziges Ziel: erst überleben, dann heimkommen. Es ist das schönste Gefühl, vom Berg zurückzukommen.“

Quelle: Alpin.de

Reinhold Messner: „Wenn ich es zurück schaffe, aus einer Welt, die ich von vornherein als eine gefährliche, archaische Welt empfunden habe, wo ich mit nach meinen Instinkten, vielleicht zusammen mit ein paar Freunden, nach anarchischen Mustern verhalte, ist es das stärkste Gefühl.

Es gibt keinen Gesetzgeber da oben, die Gesetzgebung ist im Grunde die Natur, und die ist absichtslos. Deswegen liegt die ganze Verantwortung bei uns.

Und wenn wir zurück sind, heraus aus dieser Gefahrenwelt, dann wissen wir, wir haben wieder vollen Spielraum. Und deswegen finde ich die Momente des Zurückkommens stärker als die Momente am Gipfel. Das ist wirklich wie eine Wiedergeburt, zurückzukommen. Wir haben uns das Leben erhalten.

Wir werden geboren, dafür können wir nichts, wir werden in die Welt geschleudert, aber wir haben dann die Möglichkeit, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, und das ist wahrscheinlich der stärkste Moment einer Bergtour. Und eben nicht der Gipfel. Auf einem 8.000 Meter hohen Berg in wünsche ich mir nur, dass ich wieder zurückkomme.“

Quelle: ORF-III-Künstlergespräche

 

Der Sinn des Lebens

Reinhold Messner: „Der Sinn fällt nicht vom Himmel, er wird auch nicht von einer Religion gestiftet, sondern ich selbst stifte Sinn, indem ich mir mein Tun wichtig mache.“

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Nr. 182/2008, 6. August 2008, S. 8.

Reinhold Messner: „Wir Menschen geben Sinn. Ich behaupte, der Sinn fällt nicht vom Himmel. Damit widerspreche ich den meisten Religionen. Weil diese vorgeben, sie hätten den Sinn des Lebens. Im Christentum: Der Sinn des Lebens ist es, sich auf dieser Erde christlich zu verhalten, um in den Himmel zu kommen. Ein Betrug, dem Nietzsche widerspricht. Ist es Betrug am Leben?

Der Sinn fällt nicht vom Himmel, aber ich habe die Freiheit und die Möglichkeit, meinem Leben Sinn einzuhauchen. Wir selbst sind die Sinnstifter, es ist unser gutes Recht, in unser Tun, in eine Person, eine Sache Sinn hineinzulegen. Genau das tue ich. Ob ich dabei einer nützlichen oder einer unnützen Tätigkeit nachgehe, spielt keine Rolle. Aber ein guter Sinnstifter wird im Leben weiterkommen als jemand, dem das nicht gelingen will.“

Quelle: jensvoegele.de. Veröffentlicht im Magazin LIMITS, Ausgabe 1/2018.

Reinhold Messner: „Ich bin, was ich tue.“

Quelle: nwzonline.de

Reinhold Messner: „Ich glaube nicht, aber ich respektiere alle Religionen, wenn sie nicht als Machtmittel missbraucht werden, und lasse das Jenseits offen.“

Quelle: Feature Magazin

Reinhold Messner: „Sich nicht im Alltag zu verlieren, sondern das machen, was sie eigentlich viel lieber tun würden. Ich wäre der unglücklichste Mensch auf Erden, wenn ich immerzu auf meine Träume hätte verzichten müssen. Ich habe meine Träume gelebt. Und die, die ich noch habe, verwandle ich zu gelingendem Leben, im Hier und Jetzt.“

Quelle: Alpin.de

 

Das Geheimnis eines glücklichen und gelingenden Lebens

Reinhold Messner: „Es ist wichtig, dass man seinen eigenen Weg verfolgt. Es ist sehr schwer, in jungen Jahren herauszufinden, wie dieser Weg aussieht. Wenn du ihn gefunden hast, folge ihm. Es ist zu spät, in älteren Jahren auf ein erfolgreiches Leben zurückzublicken.

Es ist viel entscheidender, jetzt an dem Ort, wo man ist, mit Enthusiasmus zu leben und mit Freude an dem, was man tut. Damit ist man ein Teil der Natur, des Kosmos. Es ist in dem Moment unwichtig, ob man schnell oder nicht schnell ist, ob man im Wettbewerb vorne liegt oder nicht, das ist alles nur Oberfläche.

Relevant ist es, komplett im eigenen Tun aufzugehen, so wie ein Bergsteiger sich auf die Wand konzentriert und ein Wanderer darauf fokussiert ist, die nächste Jurte zu erreichen. Dabei bist du involviert in die Natur, in dich selbst, in die Gefahr, die vor dir liegt. Du denkst nicht darüber nach, ob du glücklich bist. Nachher, wenn du zurückblickst, weißt du, du warst zu diesem Zeitpunkt ein glücklicher Mensch. Das ist gelingendes Leben.“

Quelle: Feature Magazin

Reinhold Messner: „Ich habe immer darauf geachtet, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Ideen habe ich entwickelt und beim Umsetzen dieser Ideen entsteht gelingendes Leben. Ich glaube, das ist die Lebenskunst generell, im Hier und jetzt gelingendes Leben zu erleben.

Und hinterher, wenn uns das gelingt, haben wir das Gefühl, dass wir glücklich waren. Solange wir dem Glück hinterher hetzen, irgendetwas erreichen oder der Beste sein wollen, sind wir nicht glücklich.

Glücklich sind wir nur, wenn wir Ideen entwickeln, kreativ werden und diese Ideen auch sukzessive umsetzen. Wie viel scheitern dabei sein muss, damit es gelingt, das ist auch sekundär. Aber im Hier und Jetzt Ideen umsetzen ist für mich gelingendes Leben. Das gelungene Leben von gestern ist Schall und Rauch.“

Quelle: 3nach9

 

Weitere Informationen: reinhold-messner.de

 

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