Werte-Index 2016: Was ist uns wirklich wichtig?

by Hofelich
Werte-Index 2016: Was ist uns wirklich wichtig?

Gesundheit, Freiheit und Erfolg sind nach wie vor die wichtigsten Werte der Deutschen, gleichzeitig nimmt die Sehnsucht nach Natur und Sicherheit zu. Das ist zentrales Ergebnis des Werte-Index 2016, den die Trendforschungsagentur Trendbüro in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen TNS Infratest (Hinweis: heute Kantar Deutschland) und dem Kommunikationsspezialisten ORCA im November 2015 veröffentlicht hat. Für den WerteIndex 2016 wurden 5,7 Millionen Postings der populärsten deutschen Websites, Communities und Blogs untersucht. Analysiert wurde, wie User grundlegende gesellschaftliche Werte im deutschen Web diskutieren: Freiheit, Gesundheit, Natur, Ehrlichkeit, Familie, Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Anerkennung, Sicherheit, Einfachheit, Erfolg, Selbstverwirklichung, Transparenz.

Gesundheit: Selbstoptimierung im Fokus

Gesundheit bleibt der wichtigste Wert der Deutschen. Im Fokus des Wertewandels steht die Selbstoptimierung. Dabei gilt es längst nicht mehr, Krankheiten zu vermeiden, sondern Leistung und Lebensqualität zu steigern. Die Deutschen setzen sich eigenverantwortlich und kritisch mit ihrer Gesundheit auseinander und vertrauen dabei auf den Austausch mit Gleichgesinnten und die Selbstvermessung durch MobilHealth.

Freiheit und Erfolg: materielle Sicherheit plus mentale Balance

Freiheit, der Wert an zweiter Stelle, wird als selbstbestimmtes und unabhängiges Leben gelebt. Jedoch wird zum Thema Freiheit wieder politischer diskutiert als in der Vergangenheit. Das Verlangen nach kultureller und wirtschaftlicher Unabhängigkeit ist gestiegen. Der drittwichtigste Wert Erfolg wird an der eigenen verbesserten Lebensqualität gemessen – materielle Sicherheit plus mentale Balance ist der Maßstab. Die Deutschen setzen auf gelebte Leidenschaften und persönliche Projekte. Im Vordergrund stehen dabei alltägliche Handlungen und kleine, aber außergewöhnliche Erlebnisse.

Im Aufwärtstrend: Natur und Sicherheit

Die Natur erreicht seit der Erhebung des Werte-Index mit Position 4 ihren Höchstwert im Ranking. Getrieben wird der Aufstieg von umweltschutzbezogenen Themen. Der Einzelne erkennt hier die Grenzen seines Einflusses und fordert von Politik und Industrie alternative Produktions- und Wirtschaftslogiken. In der Natur finden die Deutschen einen Gegenpol zu ihrer hochtechnisierten Lebenswelt. In ihr erholen sie sich vom herausfordernden Alltag. So stoßen Skandale, die Einfluss auf die Umwelt haben, auf große Resonanz in der Bevölkerung. Nach seinem historischen Tief von 2014 steigt der Wert Sicherheit wieder um drei Plätze auf Position 7. Sicherheit empfinden die Deutschen dort, wo sie das Gefühl haben, tatsächlich mitgestalten zu können. Statt auf Politik und Gesellschaft verlassen sie sich auf sich selbst, Familie und Freunde. Die aktuellen Demonstrationen und das Engagement für die Unterbringungen von Flüchtlingen zeigen, dass ein Teil der Zivilgesellschaft zuversichtlich und aktiv mit anpackt. Die Demonstrationen gegen die Flüchtlinge zeigen, wie stark andere ihre Sicherheit bedroht sehen und sich den Veränderungen hilflos ausgeliefert fühlen. Das betrifft vor allem die Gefährdung der eigenen kulturellen Identität.

Gerechtigkeit steigt ab, historisches Tief für Familie

Der Wert Familie verliert erneut zwei Plätze und rangiert auf Position 6 so tief wie noch nie. Gleichzeitig wird das immer seltener werdende Familienleben deutlich intensiver in den Social-Media-Kanälen zelebriert als früher. Gerechtigkeit verliert ihre Kraft als politischer Kampfbegriff – und fällt im Ranking um zwei Plätze auf Position 9. Angesichts der komplexer werdenden Welt rückt jene Gerechtigkeit in den Fokus, auf die der Einzelne Einfluss nehmen kann. Im Mittelpunkt stehen vor allem Alltagssituationen, die als unfair erlebt werden.

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Fazit Werte-Index 2016:

Der Werte-Index 2016 zeigt, dass für die Deutschen ihr direktes Umfeld, auf das sie selbst Einfluss nehmen können, über alle Werte hinweg der wichtigste Bezugspunkt ist. Trendforscher Prof. Peter Wippermann fasst zusammen: „Während Individualität und Eigenverantwortung im Leben der Deutschen wichtiger werden, verlieren gesellschaftliche Institution und die Familie an Bedeutung.“ Diese Entwicklung folgt dem Trend zum „digitalen Biedermeier“: Das Vertrauen in die großen politischen und gesellschaftlichen Systeme sinkt. Der Mensch zieht sich in die Privatheit der ihm bekannten Welt zurück und findet dort Sicherheit und Geborgenheit. „Der Rückzug in die private Online-Welt wird in unserer Untersuchung vor allem anhand der steigenden Facebook-Beiträge deutlich“, erklärt Jens Krüger, Managing Director bei TNS Infratest. Die größte Chance liegt in der Energie, die unter Gleichgesinnten für gemeinsame Ziele kanalisiert werden kann, wie die Welle an Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen zeigt. Die größte Herausforderung dabei ist, dass diese Orientierung an den Gleichgesinnten nicht auf Kosten der Beziehungen zu allen anderen geht. Es sind die Fähigkeiten zu Dialog, Diskurs und Empathie, die über Zusammenhalt oder Auseinanderdriften der Gesellschaft entscheiden.

Exkurs: Leitmedien im Wandel

Interessanter Nebenaspekt des Werte-Index ist das veränderte Medienverhalten: „Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich die Anzahl der analysierten Internet-Beiträge von 1,7 auf 5,7 Millionen fast vervierfacht. Der zentrale Treiber dieser Entwicklung ist Facebook“, stellt Jens Krüger, Managing Director bei TNS Infratest, fest. Während 2012 noch Twitter und Gutefrage.net die zentralen Plattformen der Beiträge im deutschsprachigen Netz waren, liegt der Anteil von Facebook an den Posts mittlerweile bei 75 Prozent. Dabei fällt auf, dass es oft die klassischen redaktionellen Medien sind, die Facebook aktiv für die Verbreitung ihrer Inhalte nutzen – sei es als reiner Verweis oder aber komplett verlinkt mit den Kommentar-Funktionen von Facebook.

Soziale Medien: Redaktionelle Angebote und Kommentare verschmelzen

Damit entwickelt sich das Internet selbst und vor allem die dort über die sozialen Medien verbreiteten Inhalte zu einem neuen Leitmedium. „Während Facebook von den klassischen Medien aktuell noch als Parallel-Universum für die Verbreitung Ihrer Inhalte genutzt wird, werden redaktionelle Angebote und Kommentare schon bald weiter miteinander verschmelzen. Damit wird das traditionelle Hierarchie-Modell „Medien-Macher vs. Medien-Konsument“ wieder einmal mehr von der Netzökonomie abgelöst“, prognostiziert Jens Krüger, Managing Director bei TNS Infratest.

Unternehmen und Manager müssen sich ändern

Der fast disruptive Wandel unserer Gesellschaft von der Industrie- zur Netzökonomie stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Künftig wird eine neue Unternehmenskultur der Transparenz, Partizipation und Bottom-up Prozesse im Fokus stehen. Die meisten Unternehmen haben dies erkannt und setzen auf Dialog und Co-Creation mit ihren Kunden, scheitern aber an den nach wie vor existierenden Silos innerhalb ihrer Unternehmen. Denn noch immer erschweren zu viele Hierarchien, Parallel-Welten und nicht gelebte interne Netzwerke den oft notwendigen kulturellen Wandel, der die Unternehmen nach außen öffnen soll. Insbesondere den Managern der Generation X (geboren zwischen 1960 und 1980) bzw. der Baby Boomer (geboren zwischen 1943 und 1960) fällt es schwer, sich auf das Neue, Unbekannte, wenig Vorhersehbare einzulassen. Diese Generationen haben nicht gelernt horizontal vernetzt zu arbeiten, während die Generation Y schon mit den Füßen scharrt, und bereit ist die Welt zu verändern. Weitere Informationen: www.kantardeutschland.de

Bild: Pixabay

 

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