Interview mit Robert Betz: „Wahrhaftig Mann sein: Männer entdecken sich selbst“

by Hofelich

Ein enormer Leistungsdruck, hohe Erwartungen von Familie, Job und Gesellschaft sowie neue Rollenbilder der Geschlechter setzen den modernen Mann immer mehr unter Druck. Wie kann es Männern gelingen, ihre Verunsicherung, Anpassung und Schuldgefühle abzulegen und zu ihrer wahren Männernatur zurückzufinden? In seinem neuen Buch „Wahrhaftig Mann Sein“ zeigt Bestsellerautor, Psychologe und Top Speaker Robert Betz, wie Mann endlich wieder Mann sein kann – lebendig und leidenschaftlich, mit Herz und Hirn in einem kraftvollen, gesunden Körper. Im Interview erklärt Robert Betz, was Männer von früheren Männergenerationen unterscheidet, wie Männer ihrem Leben wieder eine neue sinnstiftende Richtung geben können und was einen Mann zu einem authentischen Mann macht, der mit Freude durch sein Leben geht.

Herr Betz, welche besonderen Probleme haben Männer denn heute?

Betz: Immer mehr Männer können jetzt nicht mehr verdrängen, dass sie sich im Leben verlaufen haben und in einer Sackgasse gelandet sind. Oder, besser gesagt, an einer T-Kreuzung, an der es nicht mehr geradeaus weitergeht, an der sie sich entscheiden müssen: links oder rechts? Die meisten von ihnen setzen sich unter einen enormen Leistungsdruck, die Erwartungen anderer zu erfüllen, arbeiten zu viel und spielen zu wenig und können nicht mehr richtig entspannen.

Sie tun vor allem das, was andere von ihnen erwarten: die Frauen, die Gesellschaft, die Eltern, der Chef. Das heißt, viele Männer leben fremdgesteuert und nicht „selbstgesteuert“, denn sie haben nicht gelernt, auf ihr Herz zu hören und ihrer inneren Stimme zu folgen.

Zu Anfang haben viele Männer noch Freude an ihrem Job, verlieren sie dann aber nach ein paar Jahren, weil sie zu viel und zu einseitig für die Arbeit leben und keine wirkliche Beziehung zu sich selbst und ihrer Innenwelt pflegen. Sie leben, „um…zu…“. Sie arbeiten meist, um Geld zu verdienen, aber nicht, weil sie diese Arbeit lieben.

Dann gehen sie oft noch ins Fitness-Center oder zum Joggen, um einen fitten und gut gestylten Body zu bekommen, aber nicht, weil ihnen das wirklich Freude macht. Das führt zu einem Energieverlust, der viele in Erschöpfung und Burnout landen lässt, besonders dann, wenn ihnen die Frau oder der Partner keinen emotionalen Halt gibt und die Beziehung in eine Krise gerät.

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Die Freude am Leben ist ihnen weitgehend verloren gegangen und so auch die Freude am Mann-Sein und oft auch an der Arbeit, aus der sie bisher ihr (oft brüchiges) Selbstwertgefühl schöpfen. Und wenn die Freude futsch ist, dann dauert es auch nicht lange, bis der Körper „SOS“ funkt, sei es durch Burnout, Bypässe und Herzinfarkte, Gelenkprobleme, Rückenschmerzen oder Prostataerkrankungen. Und sein „kleiner Mann“, sein Penis, macht auch immer mehr schlapp – Viagra lässt grüßen – denn der ist schließlich ein „Freudemann“, der dann steht, wenn der ganze Mann in seiner Freude steht.

 

 

Vor allem ist es der ungeheure Druck vieler Männer, ‚es‘ schaffen zu müssen, den sie sich selbst machen. Was will der Mann schaffen? Er sucht seine Anerkennung im Außen, im Job, im Sport und bei Frauen. Und diese Suche ist bei vielen zur Sucht geworden.

Viele Männer sind heute – ohne dass es ihnen bewusst ist – arbeits- und erfolgssüchtig und stecken den größten Teil ihrer Energie in die Arbeit. Ein Mann ohne Arbeit verliert in seinen Augen seine Männlichkeit und sein Selbstwertgefühl. Kein Wunder, dass Männer am Ende ihres Leben oft bereuen „Ich hätte nicht so viel arbeiten sollen.“ (Siehe Bronnie Ware: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“.)

Was ist denn für den Mann von heute ein „richtiger“ Mann?

Betz: Die wenigsten Männer können sagen, was ein „richtiger“ Mann ist bzw. was einen Mann zu einem authentischen Mann macht, der mit Freude durch sein Leben geht. Die meisten folgen alten Leitbildern und dem, was ihnen durch die Werbung vermittelt wird wie: „beruflich und finanziell erfolgreich“, körperlich stark bzw. gut gestylt, attraktiv für Frauen, selbstbeherrscht und keine Gefühle zeigend, zielorientiert, ambitioniert zu sein, usw.

In den Augen vieler in unserer Gesellschaft und auch der meisten Frauen skizzieren folgende Aussagen den „richtigen Mann“:

  • „Er hat sich im Griff.“
  • „Er weiß, was er will.“
  • „Er zieht was durch.“
  • „Er erreicht erfolgreich seine Ziele.“
  • „Er kann Frust und Schmerz ertragen.“
  • „Er macht Sport und sorgt für einen attraktiven Körper.“
  • „Er zeigt ein bisschen Gefühl, aber nicht zu viel Schwäche“, also „kein Weichei bitte!“
  • „Er ist auf irgendeine Weise anders als die anderen“, was ihn „interessant“ macht
  • „Er kann auch unterhaltsam und amüsant sein, also nicht zu normal oder gar stromlinienförmig“.

Den einen „richtigen Mann“ gibt es jedoch nicht und kann es nicht geben. Das sind Klischees, die an der Realität vorbeigehen. Es gibt so viele unterschiedliche Männer wie Frauen. Was für den einen Mann stimmt und ihn glücklich macht, passt für einen anderen überhaupt nicht.

Die Frage muss heißen: „Wann ist der Mann ein glücklicher, von Freude und mit Lebenssinn erfüllter Mann?“ Und meine Antwort heißt: Dann, wenn der Mann sein Herz entdeckt hat und neugierig seiner Stimme folgt, die uns allen sagt, was sich „rund“ und stimmig FÜR UNS SELBST anfühlt und was nicht.

Der Mann darf nicht nur körperlich, sondern auch mental, emotional und auch spirituell in Bewegung bleiben. Er darf begreifen, dass sein Wesenskern geistig-spiritueller Natur ist und er allverbunden ist mit allen Menschen und Wesen. Und diesen darf er im besten Sinn dienen.

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Wahrhaftig Mann sein von Robert Betz

Was dürfen oder müssen Männer denn jetzt anders machen als frühere Männergenerationen?

Betz: Der Umgang mit den eigenen Gefühlen wird jetzt für Männer ein ganz wichtiges Thema. Besonders das Verhältnis zu ihren Emotionen wie Angst, Ärger, Wut, Ohnmacht, Scham, Schuld, Neid usw. ist für die meisten Männer bis heute Neuland. Im alten Männer-Idealbild war es verpönt, dass ein Mann sich mit seinen Schwächen oder seiner Verletzlichkeit, seiner Angst und Unsicherheit zeigen konnte.

Das fängt langsam an, sich zu verändern und das muss sich verändern. Denn es sind vor allem seine lange unterdrückten und verdrängten Gefühle, die den Mann jetzt oft zusammenbrechen lassen, der sein Herz für das Fühlen verschließt, seine Wahrheit nicht ausspricht und immer so tut, als sei alles in Ordnung. Männer, die ihre Gefühle nicht bewusst fühlen und auch über sie reden können, werden jetzt mehr und mehr in die Knie gezwungen, d.h. in eine dicke Krise hinein, damit sie nicht mehr weglaufen können vor sich selbst.

In jedem Mann steckt zudem ein kleiner Junge, der andere Wünsche und Bedürfnisse hat, als sich ständig anzustrengen, Ziele zu erreichen und die Erwartungen anderer zu erfüllen. Der will Spaß haben im Leben, will spielen, lachen und fröhlich sein. Dieser Junge ist aber sowohl mit der Mutter als auch mit dem Vater seiner Kindheit sehr verstrickt. In seinen Frauenbeziehungen wie in den Beziehungen am Arbeitsplatz führt das immer wieder zu Konflikten und Niederlagen.

Unsere Väter konnten Männern nicht zeigen, was ein lebendiger, authentischer Mann ist, weil viele von ihnen entweder physisch abwesend oder emotional verschlossen waren. Jungens werden bisher immer noch von Frauen (Müttern) erzogen und nicht von ihren Vätern. Väter verbringen bis heute viel zu wenig Zeit allein mit ihrem Sohn oder ihren Söhnen. Und Mütter können dem Jungen nicht zeigen, was ein richtiger Mann ist. So lernt der Junge schon früh, die Erwartungen der ersten Frau in seinem Leben, seiner Mutter, zu erfüllen – und das zieht sich dann durchs ganze Leben. Darum ist die Männerwelt voll von Frauen-Kümmerern und Frauenrettern.

Das alte Motto: „Tu was, streng dich an, dann haste was, dann biste was“ bestimmt bis heute weitgehend noch die Grundvorstellung von einem erfolgreichen Leben als Mann. Wer so lebt, der ist am Ende zwar etwas in den Augen der anderen, aber er ist deshalb noch lange kein glücklicher Mann mit einem fröhlichen Herzen.

 

Robert Betz / Foto: Katharina Kraus

 

Was kann der Mann denn konkret anders machen als unsere Väter es taten?

Betz: Vor allem ist es die Art und Weise, WIE er sich durch seinen Tag bewegt, bewusst oder unbewusst, nur im Kopf oder herzverbunden, einseitig im Leistungsmodus oder auch entspannungsfähig. Und viele Dinge tut er bisher wie gesagt „um…zu…“ und nicht, weil sie ihm Freude und Erfüllung verschaffen. Er ist vor allem im Außen aktiv, weil sein eigenes Innenleben noch weitgehend unbekannt ist und ihn verunsichert. Das heißt, weil er es mit sich allein kaum aushalten kann. Was soll er auch schon mit sich anfangen, außer immer irgendwas zu tun.

Würden sich Männer um ihr Innenleben so professionell kümmern, wie es die meisten im Job gewohnt sind, würden sie sehr schnell erkennen, dass sie selbst es in der Hand haben, ein wahrhaft glücklicher Mann zu werden.

Ein Mann mit großer Selbstwertschätzung und Liebe zu sich selbst, zu seinen Gefühlen und zu dem kleinen Jungen in sich. Und ein empathischer Mann, der sich einfühlen und mitfühlen kann mit den Menschen, um entsprechend auf sie einzugehen.

Ich freue mich, dass immer mehr Männer jetzt anfangen, sich innerlich zu bewegen. Auch in meiner „Transformationswoche“ sind es oft über 30 % Männer, vom Handwerker bis zum Vorstand, im Alter von 35 bis 70 Jahren. Sie begreifen, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen für sich selbst und ihre Innenwelt und auch für den Kontakt mit anderen Männern, um gute, ehrliche Männer-Freundschaften zu pflegen.

An dieser neuen Beweglichkeit der Männer haben viele Frauen ihren großen Anteil, wofür wir ihnen dankbar sein können. Denn sie bewegen sich schon länger aus den eingefahrenen Mustern des sich Aufopferns, Kümmerns und Einmischens hinaus, die ihre Mütter ihnen vorlebten. Und auch sie werden das Männerbuch in die Hand nehmen und lesen. Und wie schon bei meinem ersten Buch werde ich oft hören: „Jetzt sehe ich meinen Mann in einem neuen Licht. Vieles davon habe ich gar nicht gewusst.“

Das Interview führte Markus Hofelich.

Weitere Informationen unter: robert-betz.com
Bilder: Robert Betz: Katharina Kraus Seelenportraits / Unsplash / Cover: Heyne Verlag

 

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